Die Schweiz ist ein demokratisches Land. Dessen sind wir uns alle bewusst. Weniger bewusst ist uns allerdings, dass wir auch ein Rechtsstaat sind. In den vergangenen Jahren wurde verschiedentlich via Volksinitiativen versucht, die Demokratie gegen den Rechtsstaat auszuspielen. Dagegen wehre ich mich entschieden. Die Rechte jeder Bürgerin und jedes Bürgers sind eine unersetzbare Errungenschaft. Sie dürfen nicht als Hindernis, sondern einzig als Garant der direkten Demokratie verstanden werden. Die grossen Sicherheitsrisiken der Gegenwart betreffen alle Nationen, so auch die Schweiz – als Teil der europäischen Rechtsgemeinschaft, insbesondere als Mitglied des Europarats. Wenn geltendes Recht sicherheitspolitische Probleme schafft, ist es darum nicht über Bord zu werfen, sondern gemeinsam mit Partnerstaaten weiter zu entwickeln. Der Abbau von Grundrechten, humanitärem Recht und Rechtsschutz erzeugt dauerhaft mehr Unsicherheit für Mensch und Staat. Die Schweiz soll ein verlässliches und initiatives Mitglied der internationalen Rechtsgemeinschaft bleiben und zu ihrer moralischen Verpflichtung als Mutterland des Roten Kreuzes stehen. Eine grosse Gefahr für unseren Rechtsstaat ist aktuell die von der SVP lancierte Volksinitiative "Schweizer Recht statt fremde Richter", welche ich vehement ablehne. Das eigentliche Ziel der Volksinitiative ist die Kündigung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) über die Hintertür. Dies versuchen die Initianten/-innen zu vertuschen. Unter dem Vorwand, mit Annahme der Initiative die Rechte der SchweizerInnen zu stärken, werden die Rechte von uns allen geschwächt. Die durch die EMRK garantierten Rechte sind als Grundrechte in unserer Verfassung verankert. Sie sind kein fremdes Recht, sondern Schweizer Recht. In der Schweiz gibt es kein Verfassungsgericht, das unsere Grundrechte verbindlich schützt. Diesen Schutz bietet uns seit 43 Jahren die EMRK, der wir wichtige Fortschritte in der Schweizer Rechtsentwicklung zu verdanken haben. Das Beschneiden unserer Menschenrechte bedeutet eine Schwächung unserer Demokratie, unserer Sicherheit und unserer Freiheit.
Verfassungsgerichtsbarkeit Ich bin eine vehemente Verfechterin der Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit. Bis heute können die eidgenössischen Räte Gesetze erlassen, die der Verfassung widersprechen. Dies erachte ich als falsch.
So sah sich das Bundesgericht in der Vergangenheit immer wieder gezwungen, Gesetze anzuwenden, die es selber als verfassungswidrig beurteilte. Oft enden diese Verfahren in Strassburg, wo der Menschenrechtsgerichtshof eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) feststellte und die Schweizer Behörden zur Ordnung rief.
Staatsverständnis Wir Liberal-Sozialen stehen für die Förderung des Gemeinwohls. Das gilt im Kleinen (z.B. Familie, Gemeinde) wie im Grossen (Kanton, Staat). Nach unserer Überzeugung wird dies durch die Respektierung der beiden Prinzipien der Subsidiarität und der Solidarität garantiert. Die Subsidiarität beinhaltet, dass die übergeordnete Gemeinschaft immer dann unterstützend zur Seite steht, wenn die untergeordnete Handlungsebene (Einzelner, Familie, Gemeinde, Kanton) ihre Aufgabe auf sich allein gestellt nicht wahrnehmen kann. Die Hilfe der übergeordneten Ebene darf aber nicht entmündigen. Die untergeordneten Ebenen sollen ihr Geschick baldmöglichst wieder in die eigene Hand nehmen. Die Solidarität fordert uns auf, immer das gesamte Gemeinwohl im Auge zu behalten und die weniger Leistungsfähigen zu unterstützen. Subsidiarität und Solidarität darf aber nicht zum Egoismus im Namen des Föderalismus verkommen. Wir stehen dafür ein, dass die Stärke des Volkes sich am Wohl der Schwachen misst (Bundesverfassung, Artikel 1).
Ein wichtiger Grundpfeiler unseres Rechtsstaates ist die Religionsfreiheit. Diese will ich gegenüber einer christlichen "Leitkultur" verteidigen.
Die Konkordanz, ein wesentliches Kennzeichens unserer Demokratie, hat es in der aktuellen Politik schwer. Gründe dafür sind eine wachsende Polarisierung im Parteienspektrum, eine steigende, vielfach demagogisch geschürte und politisch instrumentalisierte Fremdenangst, sowie die Unsicherheit über die Stellung der Schweiz in der Völkergemeinschaft. Dies alles alimentiert eine Tendenz, einseitige bis radikale Lösungen zu vertreten und somit Verständigungslösungen zu verhindern.