Donald Trump fordert die Todesstrafe.
Mit seiner Forderung in einem emotionalen Moment schlägt der US-Präsident drei Fliegen mit einem Schlag: Erstens spricht er eine rechts-konservative Wählerschicht an, die immer härtere Strafen fordert und die er brauchen wird, wenn er wiedergewählt werden will. Zweitens spielt er mit dieser Aufforderung einer evangelikalen Wählerschaft in die Hände, welche in missionarischem Eifer die Welt vom «Bösen» – Beispiel Homosexuelle – befreien will. Auch die Evangelikalen sind Garant für seine Wiederwahl. Drittens aber – und hier liegt der Kern des Problems – bedient er sich einer einfachen Methode, die sich in Momenten des Schreckens ausnützen lässt: Er weiss, dass Menschen, die von starken Gefühlen wie Trauer, Wut oder Schrecken beherrscht werden, keine vernünftigen juristischen Entscheidungen treffen können. Wer die Wut der Bürgerinnen und Bürger im richtigen Moment packt, macht aus der Menschenmenge einen Mob, eine Gruppe, die hasserfüllt nach Vergeltung schreit. Verschärfung des Strafrechts Donald Trump fordert nicht nur einfach die Todesstrafe. Nein, er wendet sich mit dieser Forderung direkt an die Justiz. Obwohl Forschungsergebnisse klar beweisen, dass harte Strafen wenig bringen, um zukünftige Taten zu verhindern, missbraucht Donald Trump das Strafrecht, um den Mob anzuheizen. Diese Tendenz, das Strafrecht zu verschärfen, kann auch seit Jahren in der Schweiz beobachtet werden. Die Repressionsspirale dreht auch bei uns, obwohl wir um unser Strafrecht weltweit beneidet werden, obwohl unser Strafrecht ein Garant dafür ist, dass in unserem Land sozialer Frieden herrscht. Sühne und Vergebung Das Schweizer Strafrecht ist nach dem Muster von Sühne und Vergebung aufgebaut. Der Täter wird durch die Gesellschaft bestraft, er sühnt seine Tat beispielsweise im Gefängnis. Nach der Sühne ist ihm oder ihr durch die Gesellschaft die Schuld vergeben. Das Gegenteil dieses Prozesses zur Überwindung der Schuld läuft bei der Todesstrafe ab: An die Stelle von Sühne und Vergebung tritt die Rache. In den USA schauen die Angehörigen des Opfers meist bei der Vollstreckung der Strafe zu, weil sie hoffen, dadurch werde das Opfer gerächt. Genugtuung für die Opfer ersetzt Vergebung. Die Schuld wird nicht überwunden, Opfer wie Täter bleiben in ihr gefangen. Die Schweiz bewegt sich schrittweise auf die Todesstrafe zu. Empörte Bürgerinnen und (schein)empörte Politiker fordern Nulltoleranz im Strafrecht: lebenslange Verwahrung, automatische Berufsverbote, unverjährbare Strafen, harte Linie, lebenslange Pranger oder kein Löschen von gesühnten Strafen aus dem Strafregister. Wer in der aktuellen Debatte um das Schweizer Strafrecht von Vergebung und Sühne spricht, wird ausgelacht, als Pädophilenschützer oder eben als Täterschützerin verhöhnt. Vergebung ist eine der wichtigsten christlichen Werte Vergebung ist eine der wichtigsten und zentralsten Botschaften des Christentums. Christen auf der ganzen Welt beten regelmässig das «Vater unser» oder «Unser Vater». Dort wird dann gesagt: «Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.» Und auf Nachfrage seiner Freundinnen und Freunde, wie oft denn vergeben werden sollte, antwortet Jesus nicht 7 mal, sondern 77 mal. Menschen christlichen Glaubens drängen demnach auf die Sühne der Täterin oder des Täters, ohne zur Rache der Todesstrafe zu greifen. Sie glauben, dass ihnen selber ebenfalls Vergebung zugesprochen wird. Bei seinem eigenen Tod forderte Jesus von seinem Gott, er möge den Tätern vergeben, denn sie wüssten nicht, was sie tun. Auch ein Mörder hat noch ein Recht auf sein Leben Die Menschenwürde – das Recht auf Leben und das Recht nicht gefoltert zu werden – ist der Grund, dass in vielen Ländern die Todesstrafe abgeschafft wurde. Auch ein Mörder hat noch ein Recht auf sein Leben. Oder, wie es der Ethiker Markus Arnold sagt: «Wenn die Menschenrechte kompromisslos die Grundlage aller Gesetze wären, dann wären die Zeiten der Todesstrafen vorbei. Aber die Humanität ist eine dünne Schicht oberhalb der Barbarei: Was in Deutschland während der Nazi-Zeit passiert war, ist eine Warnung an alle. Humanität ist eine Kultur, die geschützt werden muss.»
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Zum 1. AugustDie guten alten Zeiten Von Barbara Schmid-Federer, 01.08.2019
Es ist nicht einfach Nostalgie, am Nationalfeiertag an Vergangenes zurückzudenken. Manches davon ist es wert, für die Zukunft neu belebt zu werden. Erinnern Sie sich noch an die guten alten Zeiten? Als wir noch herzhaft lachen konnten, wenn Mani Matter ein Zündhölzli anzündete und am Ende ein Weltkrieg daraus entstand? Als die ganze Nation am Samstagabend vor dem Fernseher sass und dem schwankenden Teleboy zuschaute, während die alte Dame vor versteckter Kamera ihr Gipfeli in die Tasse fremder Menschen tunkte? Als wir jeden Mittag nach Hause rannten, um Pirmin Zurbriggens Abfahrten zu bejubeln? Und Sie, heutige Grosseltern, Urgrosseltern, erinnern Sie sich noch an die Zeiten, als Ihre Eltern noch richtig hart arbeiten mussten, während Sie selber stunden- und tagelang draussen spielten? Natürlich unbeaufsichtigt. Und als der Nachbarsbub das Bienenhaus abbrannte, bis es nur noch Rauch und Asche war? Oder als die Buben meterweise Toilettenpapier aus dem fahrenden Zug flattern liessen? Tja, das waren noch schöne Zeiten, die guten alten Zeiten. Die Ansprüche an Eltern sind grösser geworden Neben dem Hof meiner Urgrosseltern gab es eine Böschung, auf welcher die Kinder vom Dorf den ganzen Winter über schlitteln konnten, ohne dass die Erwachsenen Zeit gehabt hätten, daneben zu stehen und ihnen zuzuschauen. Doch dann geschah es: Eines der Kinder fuhr direkt in eine Wand und war auf der Stelle tot. Das ganze Dorf war tief betroffen und alle, wirklich alle, halfen der trauernden Familie beim Verarbeiten des Verlustes. Ein analoges – leider ebenfalls reales – Beispiel heute: Vor ein paar Jahren fuhr ein lustiger Bengel einer Nachbarsgemeinde täglich mit dem Trottinett herum. Doch einmal, da konnte er nicht bremsen. Er raste ungewollt auf die Strasse und auch er war auf der Stelle tot. Hier waren jedoch die Reaktionen der Gemeindemitglieder mehrheitlich negativ. Empört wurde über die Verantwortungslosigkeit der Eltern debattiert, bis hin zu Leserbriefen in der Lokalzeitung. Den Eltern wurde vorgeworfen, sie hätten ihre Aufsichtspflicht nicht wahrgenommen, das habe man nun davon, wenn es kein Helmobligatorium gebe und wenn die Eltern sich keine Zeit mehr nehmen würden für ihre Kinder. Solche Reaktionen können Eltern stark verunsichern und sind mitverantwortlich dafür, dass immer mehr Kinder die schulfreie Zeit entweder vollkommen alleine in der Familienwohnung verbringen, betreut nur von Kühlschrank und Spielkonsole, oder aber von einem strukturierten Freizeitangebot zum andern chauffiert werden. In beiden Fällen bleibt das freie Spiel, welches für die Entwicklung von eminenter Bedeutung ist, auf der Strecke. Beide Eltern – heute wie damals – hatten Ihre Kinder gern und beide Eltern mussten hart arbeiten, um sich den Lebensunterhalt zu verdienen. Beide Verunglückten waren normale Kinder, die geliebt wurden. Bei beiden ist einfach ein schlimmer Unfall passiert. Wenn das gesellschaftliche Urteil über die beiden Unfälle so verschieden ausfällt, dann deshalb, weil unsere Gesellschaft grundsätzlich kinder- und familienfeindlicher geworden ist. Die Ansprüche und Erwartungen, die an Eltern und Kinder gestellt werden, haben zugenommen. Während die Kindheit unserer Urgrosseltern und Grosseltern fast identisch verlief, können sich heute auch sehr junge Eltern manchmal kaum mehr vorstellen, was ihre Kinder tagtäglich erleben. Das kann verwirren und macht es oft schwierig, sich zu orientieren. Familien mit Kindern sind zu einer Gruppe geworden, die ständig kritisiert wird und sich sehr grossen Herausforderungen stellen muss. Denken wir beispielsweise an die massiv höheren Lebenshaltungskosten oder den deutlich gestiegen Wettbewerb um Schulabschlüsse, Arbeits- und Lehrstellen. Der Verkehr hat zugenommen und immer mehr Leute stören sich am Kinderlärm. Es kann nicht oft genug gesagt werden: Heutige Eltern sind nicht schlechter als die Eltern der sogenannt guten alten Zeit, und die heutige Jugend ist mehrheitlich eine sehr gute Jugend. Selbstverständlich sind nicht alle Jugendlichen unproblematisch. Wir kennen die Ausnahmen und wissen auch, dass dort klare Grenzen gesetzt werden müssen. Nüchtern betrachtet sind jugendliche Streiche meist harmloser geworden – selbstverständlich gibt es Ausnahmen. Die Geschichte mit dem im Wind flatternden Toilettenpapier ist nicht mehr möglich, da die Fenster im Zug sich nicht mehr öffnen lassen. So oder so würden die Eltern angezeigt werden, würden ihre Kinder heute den Streich von damals wiederholen. Erst recht, wenn ein Bienenhaus abgebrannt würde. Was früher zum Bubsein gehörte, liegt heute nicht mehr drin. Die Streiche meines Grossvaters sind heute tabu. Und dass eine Mutter ihre Kinder stundenlang und unbeaufsichtigt draussen spielen lässt, wird von der Gesellschaft nicht mehr akzeptiert, obwohl alle wissen, dass dies für die kindliche Entwicklung zentral ist. Plädoyer für die heutige Jugend Hören wir auf, ständig schlecht über die heutige Jugend zu reden. Im Gegenteil: Mich beeindruckt immer wieder, mit welchem Engagement, Pragmatismus und Selbstbewusstsein die Jugendlichen von heute ihr Leben angehen. Zudem hat beispielsweise die Jugendkriminalität in den letzten Jahren deutlich abgenommen – auch wenn uns oft glauben gemacht wird, sie hätte zugenommen. Viele Jugendliche engagieren sich freiwillig in Freizeitorganisationen wie der Pfadi. Das ist Gold wert und diese Jugendlichen verdienen Lob und Anerkennung. Und Dankbarkeit. Die Zeiten ändern sich und Mani Matter ist vielleicht den heutigen Jugendlichen nicht mehr bekannt. Aber es gibt neue Schweizer Sängerinnen und Sänger, die schon bald zu Legenden werden. Wer kennt nicht Stefanie Heinzmann, Trauffer, Baschi, Steff la Cheffe oder Nemo? Heutige Kinder kennen zwar den Teleboy nicht, aber sie sehen sich Zambo an und freuen sich über die Geschichte des Harry Potter. Von Pirmin Zurbriggen haben sie meist nichts gehört, aber da gibt es ja den Federer. Den Roger. Und der werde nie vergessen werden, sagen sie. Mein Traum für einen bald kommenden Geburtstag der Schweiz: Die Gründung von modernen Familienquartieren ohne Durchgangsverkehr ist erfolgt. Die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer begrüsst Kinderlärm ausdrücklich. Die Familienarmut ist gestoppt. Die Kinder sind wieder frei und dürfen sich stundenlang draussen aufhalten. Die Schweizer Jugend wird seit Jahren geliebt und gelobt. Sportverbände, Pfadi, Cevi, Jungwacht und Blauring erleben einen nie dagewesenen Boom. Kinder und Jugendliche sind nichts anderes als der Spiegel unserer Gesellschaft. Und wie der Philosoph Kalil Gibran es ausdrückt: «Du bist der Bogen, von dem deine Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden.» Nun wünsche ich Ihnen, uns allen, aber vor allem den Jugendlichen, ein frohes Fest und unserem Land alles Gute zum Geburtstag. |
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