Humilitas – Demut und Humor
Von Barbara Schmid-Federer, 08.10.2020 Journal21.ch Markus Arnold (1953–2020) war eine humorvolle Persönlichkeit, ein wegweisender Christdemokrat und ein brillanter Ethiker und Theologe. Das lateinische Wort Humus, der Boden, ist gleichermassen die Wurzel der Humilitas, also der Demut, wie auch des Humors. Demütige haben Bodenhaftung und können über sich selber lachen, weil sie sich selbst nicht so wichtig nehmen. Demütige haben Humor. Die Demut ist die wichtigste Tugend christlicher Politikerinnen und Politiker. Dies schrieb Markus Arnold in «Politik und Ethik in christlicher Verantwortung» im Jahr 2010, einem Werk, welches mir die Grundlage meines politischen Handels zeigte. Das Buch sei allen Politikerinnen und Politikern ans Herz gelegt, die an einer Auseinandersetzung mit politischen Grundhaltungen interessiert sind – unabhängig von ihrer Religions- oder Parteizugehörigkeit. Demut und Humor als Charaktereigenschaften hat vielleicht keiner so gut verinnerlicht wie der Politiker Markus Arnold. Ihm ging es nie um sich selbst, sondern immer um eine auf dem christlichen Menschenbild basierende Politik, um die Förderung des Gemeinwohls, um die Achtung des Menschen, um eine Würde, die allen Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht, Ethnie, Religion, gesellschaftlichem Status oder Leistungsfähigkeit zusteht. Seine authentische Art des Politisierens war gepaart mit einem standfesten Charakter und – allem voran – seinem brillanten Humor, kombiniert mit seiner hohen Intelligenz. Fundierter Christdemokrat Markus Arnold war eine Persönlichkeit mit fundiertem theologischem und politischem Wissen, fundiertem Glauben, fundierten Freundschaften. Er war ein gradliniger Mensch, der zu seinen Überzeugungen stand, auch wenn er damit manchmal aneckte. Dadurch war er vielen ein Vorbild. Er war keiner von denen, welche ihre Fahne in den Wind hängten, wenn die öffentliche Meinung die Richtung wechselte. Dabei spielten seine Erfahrungen als Züricher Katholik eine entscheidende Rolle: Er kannte ein Zürich der 60er-bis 80er-Jahre, in welchem Katholikinnen und Katholiken in gewissen Kreisen noch immer diskriminiert wurden. Stets suchte er für sie einen Weg der Akzeptanz und der Ökumene. Um der katholischen Minderheit – die Rede war vornehmlich von immigrierten Arbeitnehmenden aus der Inner- und der Ostschweiz – eine Stimme zu geben, spielte die damalige Christlich-soziale Partei (CSP) und spätere CVP eine wichtige Rolle. 2004 wurde Arnold zum Präsidenten der CVP des Kantons Zürich gewählt. Markus Arnold war bereits damals der Meinung, das «C» im Namen der CVP habe immer wieder zu Missverständnissen geführt. Es sei der Partei – gerade im protestantischen Zürich – nie gelungen, die CVP als «überkonfessionelle Wertepartei» zu verankern, weshalb das «C» im Namen zu überdenken sei. Heute, viele Jahre später, scheint diese Einsicht in der Partei angekommen zu sein. Er selber hat schon damals gehandelt, indem er ein pointiert «liberal-soziales» Programm etablierte. Dies nach dem biblischen Vorbild von Freiheit und Nächstenliebe, Verantwortung und sozialem Handeln. Mit diesem Programm ist es ihm 2007 gelungen, den Wähleranteil der CVP im Kanton Zürich um 2,2 auf 7,6 Prozent zu erhöhen und einen Nationalratssitz dazuzugewinnen. Es waren namentlich moderne junge – vielfach reformierte – Familienfrauen, die neu CVP wählten. In der Geschichte der CVP der letzten fünfzig Jahre war dies ein einmaliger Erfolg. Aufgeschlossener Katholizismus Für die Zürcher Katholiken war der brillante Ethiker und Theologe Markus Arnold eine wichtige Stimme. Die grosse Mehrheit von ihnen fühlte und fühlt sich vom Bistum Chur nicht vertreten. Diese Tatsache hat viele von ihnen geprägt und auch zusammengeschweisst. Es gibt so etwas wie ein «Kollektiv» der Zürcher Katholikinnen und Katholiken. Markus Arnold war während langer Zeit die Stimme, die dessen Unmut in der Öffentlichkeit auch tatsächlich äusserte, wofür er naturgemäss auch kritisiert wurde. In diesem Sinne war er ein Vorreiter, denn heute ist dieser Widerstand in der öffentlichen Wahrnehmung breiter abgestützt. Sei es im Zürcher Verfassungsrat, in der Zürcher Politik, in der Zürcher Synode oder an der Universität Luzern, überall hat er Spuren hinterlassen. Die letzten Zeilen seines Buchs «Politik und Ethik» nehmen denn auch vorweg, was Abschied für ihn bedeutete: «Demütige können auch Abschied nehmen. Wenn sie ihren Dienst getan haben, hält es sie nicht mehr in ihrem Amt. (...) Abschied nehmen, auch vom eigenen Ego – für Christinnen und Christen sollte das eigentlich kein Problem sein.»
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