Vor rund 20 Jahren brach im Südosten Europas ein Krieg aus, der einen direkten Einfluss auf die Familie meiner Freundin hatte; nennen wir sie Sabrina.
Ihr Vater war geschäftlich exklusiv mit diesem Land verbunden und verlor innert kurzer Zeit sein gesamtes Geschäftsfeld. Was dann folgte, war für Sabrinas Familie ein eigentliches Drama: Sie Der Vater verlor Arbeit, die Familie Geld, dann die Wohnung, später – und hier wurde es sehr schwierig – einen Grossteil ihres Freundeskreises. Sie musste schmerzlich erfahren, dass beruflicher Niedergang in unserer Gesellschaft auch gesellschaftlichen Ausschluss bedeuten kann. Mit Schulden überhäuft, musste die Familie eine Wohnung finden. Sabrina fing an, für ihre Eltern Bekannte um Geld zu bitten und wurde sich dabei bewusst, dass sie nun zu einer Bettlerin geworden war. Dieses Schlüsselerlebnis beeinflusste Sabrinas gesamtes späteres Leben, es ermöglichte ihr, zu erkennen, dass die Folgen eines Krieges zum Schicksal für jede und jeden von uns werden können, zu jedem Zeitpunkt an jedem Ort. Menschen erleiden Schicksale und ergreifen die Flucht. Die Flucht – das zentrale Thema der Religionen Das Thema Flucht ist auch bei sämtlichen Weltreligionen das zentrale Thema überhaupt. Sei es die Thora, der Koran, das Alte oder das Neue Testament: Diese Bücher sind voll von Fluchtgeschichten. Abraham ist vor einer Hungersnot nach Ägypten geflohen und Moses nach dem Mord an einem Aufseher des Pharaos nach Midian. Selbst Jesus floh vor Herodes als Säugling in den Armen von Maria nach Ägypten. Diese Flucht des «Christkindes» geschah direkt nach der Geschichte, die wir vor kurzeman Weihnachten gefeiert haben. Sie führte von der Krippe im Stall direkt nach Ägypten in die Fremde. Politik kann sich ihrer Verantwortung nicht entziehen Flucht und Migration sind globale Phänomene, die globale Lösungen brauchen. Es würde der politischen Schweiz gut anstehen, ihre humanitäre Tradition auch im Jahr 2019 weiter zu erhalten, um im internationalen Umfeld eine Führungsrolle zu übernehmen. Es braucht nachhaltige Lösungen wie eine echte «Hilfe vor Ort» oder die Gewährleistung eines ordnungsgemässen Asylverfahrens weltweit. Sabrina arbeitet heute für ein nationales Hilfswerk. Sie gehört zu den zahlreichen Menschen in unserem Land, welche sich tagtäglich für die Interessen für Schutzbedürftige in der Schweiz einsetzen. Zahlreiche Freiwillige aus der Zivilgesellschaft, viele Hilfswerke, etliche Stiftungen, Kirchgemeinden, Kantonalkirchen oder Vereine tun dies seit Jahren in der Schweiz. Diese Arbeit, die meist subsidiär zur staatlichen Hilfe stattfindet, kann nicht genug gewürdigt werden. Sie ist auch dort sichtbar, wo politische Instrumente versagen. Und dennoch, die politische Schweiz wird sich auch 2019 des Themas «Flucht» nicht entziehen können. Publiziert am 31. Dezember 2018 auf "Journal 21".
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