Klares Nein zur Volksinitiative „Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen.
Eidgenössische Volksabstimmung vom 18. Mai 2014 Die Volksinitiative mit dem Titel „Pädophile dürfen nicht mehr mit Kindern arbeiten“ klingt vernünftig: Jeder und jede möchte unsere Kinder vor Pädokriminellen schützen. Konkret verlangt die Initiative, dass, wer wegen eines Sexualdelikts mit Kindern verurteilt wurde, zwingend und automatisch einlebenslanges Verbot erhält, mit Kindern zu arbeiten. Die Initiative gehört klar abgelehnt, weil sie überflüssig, unvollständig und unverhältnismässig ist. Überflüssig Die Initiative ist überflüssig, weil das Parlament einen Gegenvorschlag beschlossen hat, der voraussichtlich am 1. Januar 2015 in Kraft tritt und der die Anliegen der Initiative im Kern mehr als erfüllt. Dieser sieht für sexuelle Handlungen mit Kindern und Abhängigen bei einer gewissen Schwere zwingend ein automatisches Tätigkeitsverbot von 10 Jahren vor, das, wenn nötig, lebenslänglich sein kann. Schwere Täter werden also gleich hart angefasst wie in der Initiative. Unvollständig Die Initiative ist unvollständig. Der Gegenvorschlag umfasst zusätzliche Instrumente, welche die Initiative gar nicht anspricht, namentlich ein Kontakt- oder Rayonverbot sowie einen Sonderstrafregisterauszug. Zudem suggeriert die Initiative, sie sei eine umfassende Lösung des Problems – dabei löst sie weder Probleme betreffend Pädophile in der Familie oder im öffentlichen Raum, noch richtet sie etwas gegen Ersttäter aus. Unverhältnismässig Die Initiative ist unverhältnismässig, weil sie über das Ziel hinausschiesst. Zum einen unterscheidet sie nicht zwischen echten Pädokriminellen (jemand, der ein 10-jähriges Mädchen schändet) und Sexualdelikten unter Jugendlichen (ein 19-Jähriger, der eine 15-Jährige anfasst). Mit dem Automatismus des Arbeitsverbots würden auch Einzelfälle wie eine Jugendliebe erfasst. Ein 19-Jähriger der mit einer 15-Jährigen eine einvernehmliche Liebesbeziehung eingeht und deshalb bestraft wird, dürfte nie mehr soziale Arbeit mit Kindern leisten oder eine Juniorenmannschaft trainieren dürfen. Das ist absurd. Zudem: Ein Jugendlicher, der einem anderen Jugendlichen unter 16 Jahren per Handy ein pornographisches Video schickt, macht sich deswegen strafbar. Er würde vielleicht mit einem Verweis oder einigen Tagen persönlicher Leistung bestraft werden. Nach Annahme der Initiative müsste er automatisch, also ohne Abklärung, mit einem lebenslangen Tätigkeitsverbot belegt werden. Das ist absolut unverhältnismässig. Die Schwere der Straftat ist den Initiantinnen und Initianten egal. Es wäre ein absolut falsches Signal gegenüber unseren Kindern, solche Jugendlichen mit Pädokriminellen gleichzusetzen. Die Initiative unterscheidet auch nicht zwischen unheilbaren Triebtätern und Menschen, die keine Gefahr mehr darstellen, sei es weil sie definitiv therapiert sind oder eine Tat nur aus früheren Lebensumständen heraus begingen. Der Schutz von Kindern und ihrer körperlichen, geistigen und sexuellen Integrität ist ein zentrales Anliegen unserer Gesellschaft. Wir alle teilen die Auffassung, dass Kinder als schwächste Mitglieder unserer Gesellschaft unbeschwert und vor allem auch unversehrt aufwachsen können. Aus diesem Grund haben wir einen harten, aber korrekten Gegenvorschlag verabschiedet. Ich stehe aber auch ein für den Rechtsstaat. Eine seiner tragenden Säulen ist das Prinzip der Verhältnismässigkeit. Jeder Mensch – sogar ein Straftäter – hat Anspruch darauf, dass nur angemessene, nicht drakonische Sanktionen gegen ihn oder sie ergriffen werden. Würden wir im Strassenverkehr dieselben Massstäbe ansetzen wie die Initiative, müssten wir wegen jedem Strassenverkehrsdelikt einen lebenslangen Führerscheinentzug anordnen, auch bei einer Parkbusse. Rechtsstaat bedeutet immer Rechtssicherheit.Bürgerinnen und Bürger müssen sich auf das Recht verlassen können; es schützt sie. „Ja zur Initiative“ bedeutet Abkehr vom Rechtsstaat. „Ja zur Initiative“ ist billiger Populismus, der einer staatstragenden Mittepartei nicht würdig ist. Daher sage ich NEIN zu dieser unnötigen, unvollständigen und unverhältnismässigen Initiative.
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