Nein zur Kündigungs-Initiative der SVP
Von Nationalrat Karl Vogler und Nationalrätin Barbara Schmid-Federer Vor etwas mehr als 40 Jahren ratifizierte die Schweiz die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), welche zum Ziel hat, die fundamentalen Rechte aller Menschen in Europa zu schützen. Die EMRK hat wesentlich dazu beigetragen, auf den Trümmern des 2. Weltkrieges ein Europa der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und des wirtschaftlichen sowie sozialen Fortschritts aufzubauen. Den Menschen in Europa ist damit - nachhaltig - ein Leben in Würde gesichert. Die Bedeutung der Grund- und Menschenrechte Die Schweiz, Vorbildnation für viele Völker dieser Erde, gewährte stets allen Menschen, auch denen, die bei ihr Aufnahme fanden, die Rechte, die ihrer menschlichen Würde zustehen und die schlussendlich ihre Freiheit ausmachen. Heute garantiert unsere Bundesverfassung die Grundrechte: Recht auf persönliche Freiheit, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Sprachenfreiheit, Eigentumsgarantie oder Wirtschaftsfreiheit, um nur einzelne Beispiele zu nennen. Vor 40 Jahren hat die Schweiz sich auch dazu verpflichtet, die in der EMRK garantierten Mindestrechte einer jeden Person zu schützen. Das bedeutet: jeder Mensch, ungeachtet seines Geschlechts und seiner Gruppenzugehörigkeit, hat ein Recht auf faire rechtliche Verfahren und auf die Rechte, die unabdingbar sind, um ein Leben in Freiheit und Würde führen zu können. Wir haben uns international dabei behaften lassen, diese Errungenschaft unserer Zivilisation weiter hochzuhalten. Die in unserer Bundesverfassung festgeschriebenen Grundrechte und die mit der Unterzeichnung der EMRK und weiterer völkerrechtlicher Verträge in unser Recht übernommenen Menschenrechte sind ein Grundpfeiler unserer Demokratie. Eine Volkssouveränität kann nur eine solche sein, wenn allen unter ihrer Herrschaft lebenden Menschen die gleiche Achtung und Würde zugestanden wird. Die unverbrüchliche Gewährleistung dieser Gleichheit mit dem hohen Standard unseres Rechtsstaates ist das Markenzeichen unserer Schweiz, die ihr Glaubwürdigkeit und Ansehen verleiht. Absurde Behauptung 40 Jahre nach der Ratifizierung der EMRK gerät dieses wichtige Regelwerk unserer Rechtsordnung unter einen gefährlichen - und von den Medien zu sorglos mitunter haltenen - Druck. Mit einer Volksinitiative „Schweizer Recht vor fremdem Recht“ - will die SVP, dass die Schweiz geschlossene völkerrechtliche Verträge brechen kann. Namentlich sollen die Gerichte die Europäische Menschenrechtskonvention nicht mehr anwenden dürfen. Schmackhaft gemacht wird dies damit, dass die Initiantinnen und Initianten in unsere Verfassung schreiben wollen, diese sei die höchste Rechtsquelle. Damit wird indirekt in absurder Weise - behauptet, dies sei nicht der Fall und müsse nun mit einer Initiative verlangt werden. Das ist aber in der Schweiz - wie in jedem anderen Verfassungsstaat - klar und selbstverständlich so. Die Grundquelle für die Geltung auch von Völkerrecht ist unsere Bundesverfassung! Diese schreibt vor, dass Bund und Kantone das Völkerrecht zu beachten haben und dass auch dieses für die Gerichte massgebend ist. Wäre dem nicht so, könnten die Initianten gar nicht mit einer Initiative auf Änderung ausgerechnet der Bundesverfassung verlangen, das Völkerrecht solle nicht mehr beachtet werden! Verheerender Angriff auf Völkerrecht, Grundrechte und Menschenrechte Die Umsetzung der Forderungen der Initiative wäre klar verheerend. Man stelle sich vor: Die Schweiz als Vorbildnation schreibt in ihre Verfassung, dass sie sich nicht mehr an einmal unterzeichnete Verträge halten wird, wenn sie das nicht mehr will. Kein Staat würde mehr mit uns völkerrechtliche Verträge abschliessen, derer sie in unserer globalisierten Welt als Kleinstaat aber bitter nötig hat. Mit der geforderten nicht Anwendbarkeit der EMRK gegenüber Bundesgesetzen würden alle Bürgerinnen und Bürger in der Schweiz keinen gerichtlichen Schutz ihrer Grund- und Menschenrechte mehr geniessen. Das Bundesgericht könnte einem Opfer in letzter Instanz nur mitteilen, das streitige Bundesgesetz sei zwar verfassungs- und menschenrechtswidrig, müsse aber trotzdem angewendet werden. Das allenfalls noch so bedauernswerte Opfer müsste die unzulässige Einschränkung seiner Rechte hinnehmen. Die Schweiz wäre so ihren Ruf als sicherer Hort der Rechtssicherheit, der einen bedeutenden Anteil an ihrem Erfolg hat, endgültig los. Dies zeigen Juristen wie alt Bundesgerichtspräsident Giusep Nay – und es müssten noch viel mehr davon sein - überzeugend auf. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sind gut beraten, nicht auf gegenteilige Behauptungen, die Initiative richte sich nicht gegen die Menschenrechte, unsere Bundesverfassung garantiere diese auch, hereinzufallen.
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