Ende November kommt die neuste SVP-Volksinitiative zur Abstimmung, welche unter dem Vorwand nationaler Selbstbestimmung die Schweiz aus der EMRK und der Strassburger Menschenrechts-Gerichtsbarkeit herauslösen möchte.
Diese Initiative gilt es klar abzulehnen. Das Selbstbestimmungsrecht ist ein zentrales Recht für die Schweizer Bevölkerung und wird durch das Völkerrecht international abgesichert. Mit ihrer sogenannten «Selbstbestimmungsinitiative» gibt die SVP vor, dieses Recht zu verteidigen. In Tat und Wahrheit bewirkt sie das Gegenteil von dem, was sie angeblich möchte – und schadet damit dem Wirtschaftsstandort Schweiz. Die KMU bilden mit 98% aller Unternehmungen das Rückgrat unserer Volkswirtschaft. Diese wären von einer Annahme der Initiative direkt betroffen, denn es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Schutz der Menschenrechte und der Verteidigung der Anliegen des Gewerbes: Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) schützt die Interessen der Wirtschaft, insbesondere einzelner Gewerbebetriebe gegen Übergriffe des Staates. Ein bekanntes Beispiel ist die Verteidigung der Werbefreiheit der Autronic AG an einer Messe in Zürich: Die Betreiberin von Parabolantennen wollte dort den Verkauf von Autronic-Empfangsgeräten ankurbeln, was ihr aber verweigert wurde. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stellte die Verletzung der Meinungsfreiheit durch die Verhinderung von Werbung fest. Das Völkerrecht legt den Grundstein für florierende KMU Das Völkerrecht besteht aus internationalen Verträgen. Es ist nicht einfach Schicksal, sondern das Ergebnis von Verhandlungen und von demokratisch legitimierten Ratifikationsprozessen. Diese Verträge bilden den Grundstein für die KMU oder anders ausgedrückt: KMU sind auf das Völkerrecht, auf diese internationalen Verträge angewiesen. Wir reden hier von Freihandelsabkommen, Luftverkehrsabkommen oder internationalen Verträgen zum Schutz des geistigen Eigentums für Schweizer KMU im weltweiten Export. Dazu zählen auch zwischenstaatliche Vereinbarungen etwa im grenzüberschreitenden Warenverkehr zwischen der Schweiz und Süddeutschland. Diese elementaren Grundlagen des Erfolgs der Schweizer Wirtschaft wären durch eine Annahme dieser Initiative gefährdet. Problematische Verletzung von Verträgen Die Initiative provoziert mutwillig die Verletzung von Verträgen. Während die Kündigung von Verträgen legitim, wenn auch in vielen Fällen nicht klug ist, ist die Verletzung von Verträgen immer problematisch und unterminiert den guten Ruf eines Vertragspartners. Es leuchtet jedem Gewerbler, jeder Gewerblerin ein, dass die Verletzung von Verträgen nicht nur Chaos und Rechtsunsicherheit verursacht, sondern auch Rufschädigung für den Betrieb. Pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten. Die SVP-Initiative schadet deshalb dem guten Ruf der Schweiz als Staat und Wirtschaftsstandort. Wir verlieren so unsere Glaubwürdigkeit und werden als unverlässliche Vertragspartner weniger beachtet. Dies würde uns in der Gestaltung der Aussenpolitik stark einschränken. Wir würden uns selber Fesseln anlegen und unsere internationale Stellung schwächen. Die Initiative rüttelt am Erfolgsmodell Schweiz Für den Erfolg der Exportnation Schweiz ist unsere offene Volkswirtschaft von zentraler Bedeutung. Voraussetzung für diese offene Volkswirtschaft, die unseren Unternehmen den Marktzugang in der gesamten Welt ermöglicht, sind stabile internationale Beziehungen. Für einen Kleinstaat wie die Schweiz gibt es keine Alternative zum Völkerrecht; dieses ist der Garant für Stabilität und gesicherte rechtliche Verhältnisse – und zudem auch die Zusicherung unserer Neutralität. Gerade seit der durch Donald Trump ausgelösten verhängnisvollen, protektionistischen Welle – «America first» – ist die Schweiz umso mehr auf die Verlässlichkeit des Völkerrechts angewiesen. Die SVP-Initiative greift aber gerade die Geltung dieses Völkerrechts in seinem Kern an und rüttelt damit am Erfolgsmodell Schweiz. Bei einer Annahme der Initiative würde sich die Schweiz als Vertragspartnerin international selbst ins Abseits stellen. Eine solche Rechtsunsicherheit wäre für die Schweizer Wirtschaft Gift, denn die Initiative würde sich auch auf bestehende Abkommen negativ auswirken – auf die Freihandelsabkommen, auf die Investitionsschutzabkommen, auch auf die bilateralen Abkommen mit der EU. Das Schadenspotenzial ist immens gross. Gefahr eines Ausschlusses aus dem Europarat Die Schweizer Wirtschaft kann nur florieren, wenn sie sich auf die bewährte Rechtskultur verlassen kann. Diese wird mit der Initiative in Frage gestellt. Das Signal, wonach einmal abgeschlossene Verträge nicht mehr einzuhalten sind, wäre verheerend; das würde unser Rechtssystem in seinen Fundamenten erschüttern. Dazu käme, dass unter Umständen die Gefahr eines Ausschlusses aus dem Europarat und der entsprechenden automatischen Kündigung der EMRK bestünde, was für die Schweiz mit ihrer humanitären Tradition und ihrem internationalen Engagement für die Menschenrechte einen katastrophalen Imageschaden bedeuten würde. Die Schweiz ist übrigens das einzige Land, das die Einhaltung von gegenseitigen Versprechen sogar in seinem Namen trägt. «Eidgenossenschaft» ist im Grunde nur ein altertümliches Wort für «völkerrechtlicher Vertrag». Ein Vertrag ist eine Genossenschaft, in dem Sinne, dass er die gemeinsamen Interessen fördert und mit einem Eid bekräftigt, in dem Sinne, dass das Versprechen formell abgegeben ist. Die Verlässlichkeit gegenseitiger Versprechen ist also gerade das Fundament, auf dem die Schweiz errichtet wurde. Ausgerechnet dieses Fundament soll nun in Frage gestellt werden, indem die Schweiz regelmässig und systematisch solche formell abgegebene Versprechen brechen müsste. Das greift nicht nur die Interessen der Schweiz grundsätzlich an, es greift auch die Werte grundsätzlich an, auf denen die Schweiz errichtet wurde. Die EMRK aus Sicht der Christdemokratie Abschliessend noch ein persönlicher Gedanke: Die Europäische Menschenrechtskonvention ist ein klassisches Produkt der christilich-sozial geprägten europäischen Nachkriegszeit. Nach dem Krieg entstand der innigste Wunsch nach Frieden und Stabilität. Ziel war es, den Menschenrechtsschutz auf europäischer Ebene in Sinne eines Mindeststandards zu vereinheitlichen und dadurch Frieden, Sicherheit und ein Fundament für Demokratien zu schaffen. Diese Errungenschaft darf durch diese Initiative nicht gefährdet werden. Menschenrechte und deren internationaler Schutz gehören somit zur DNA einer christlich geprägten Politik. Die Schweiz gilt als Hüterin der Menschenrechte. Gerade in Zeiten, in denen die Menschenrechte in vielen Staaten zunehmend unter Druck geraten, ist es besonders wichtig, dass die Schweiz zu ihren Versprechen steht. Sollte die Initiative angenommen werden, würde ausgerechnet die Schweiz die Europäische Menschenrechtskonvention schwächen – einen weltweit einzigartigen Menschenrechtsschutz. Diesen gilt es zu verteidigen. Ganz besonders von einer Christdemokratin, wie ich es bin. Publikation: Andreas Gross, Fredi Krebs, Martin Stohler, Cédric Wermuth (Hrsg.): Freiheit und Menschenrechte, Editions le Doubs CP 65, St.-Ursanne. September 2018
2 Comments
Der Schutz von Minderheiten ist ein Gradmesser für jede Demokratie.
Intakte demokratische Staaten schützen ihre verschiedenen Minderheiten vor Diskriminierung, vor Benachteiligung, vor Ausgrenzung. Die Demokratie Schweiz sollte diesbezüglich eine Vorbildrolle einnehmen. Tut sie das? Gleichheit vor dem Gesetz Minderheiten in der Schweiz sind durch unsere Grundrechte geschützt: So soll die Würde des Menschen geachtet und geschützt werden. Gemäss Artikel 8 der Bundesverfassung sind alle Menschen gleich vor dem Gesetz. Ebenso hat jeder Mensch das Recht auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit. Jede Person soll zudem ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei wählen können. Einen besonderen Schutz wird in der Schweizerischen Bundesverfassung den sprachlichen Minderheiten zugeordnet. Das ist die Theorie. Doch wie steht es um die Praxis? Als ich im zarten Alter von 6 Jahren den ersten Klassenraum betrat, stellte ich zuerst einmal fest, dass meine Muttersprache – ein lupenreiner Dialekt aus dem Dorf Entlebuch – auf dem „Züriberg“ schlecht ankam und zum Teil gar nicht verstanden wurde. So rasch als möglich eignete ich mir ein tadelloses „Züritüütsch“ an, denn negativ aufzufallen war das Letzte, was ich mir in der Schule ersehnte. Konfessionelle Diskriminierung Doch es sollte nicht lange dauern, bis mir bewusst wurde, dass der Dialekt alleine noch keine Zürcherin aus mir machte: Ich gehörte der falschen – der katholischen – Kirche an. Während des reformierten Religionsunterrichts musste ich zusammen mit meiner Freundin das Klassenzimmer verlassen und draussen warten, bis die Stunde zu Ende war. Für uns beide war von der katholischen Kirche her ein persönlicher Religionsunterricht organisiert worden – natürlich nicht gleichzeitig, sondern während der schulfreien Zeit. Erst später erfuhr ich, dass katholische Religionslehrer bis Anfang der 80er Jahre in keinem öffentlichen Schulhaus Zürichs geduldet waren. Als Mitglied der katholischen Kirche gehörte ich einer Minderheit an, welche sich über Jahrzehnte Gehör verschafften musste. Heute, im 21. Jahrhundert, ist sie endlich akzeptiert. Die juristische Gleichstellung kam für die Katholiken mit dem Kirchengesetz von 1963, das der römisch-katholischen Kirche die öffentlichrechtliche Anerkennung des Staates brachte. Bis heute gibt es aber Vertreter der Oberschicht Zürichs, die sich von Persönlichkeiten katholischer Herkunft abgrenzen. Gleiches geschah und geschieht analog dazu in der katholischen Innerschweiz gegenüber Angehörigen der reformierten Kirche. Polemik gegen „Gutmenschen“ Wer sich heute für Minderheiten einsetzt, wird rasch als „Gutmensch“ beschimpft. Gegen „Gutmenschen“ wird Politik betrieben. „Ich bin allergisch auf das Gutmenschentum, auf Leute, die sich auf einer moralisch höheren Stufe wähnen und hochtrabend und unehrlich auftreten – diese Haltung kann ich nicht ausstehen“, liess sich etwa Nationalrat Roger Köppel unlängst im Tages-Anzeiger zitieren. Minderheiten sind etwa Muslime, Juden, Roma oder Schwarze. Schweizer Hilfswerke wie das Schweizerische Rote Kreuz setzen sich für diejenigen Minderheiten ein, welche im staatlichen Bereich durch die Maschen gefallen sind: Menschen am Rande der Gesellschaft, Menschen, die unter dem Existenzminimum leben, Menschen, die krank sind oder Flüchtlinge. Sie setzen sich ein für die Verletzlichsten. Würden wir von heute auf morgen alle Hilfswerke aufheben, wäre der Staat Schweiz heillos überfordert, die Gesellschaft würde implodieren, es gäbe ein Chaos. Die Politik ist gefordert Der Zustand einer Gesellschaft bemisst sich daran, wie sie mit ihren gesellschaftlichen Minderheiten umgeht – seien dies Ausländerinnen, Behinderte oder Homosexuelle. Als erster Akteur in Sachen Umgang mit Minderheiten fungiert aber die Politik. Sie muss sich darauf besinnen, Extremismus, Rassismus und Antisemitismus zu verurteilen, mit klaren Statements von Politikerinnen und Politikern aus allen Parteien. Diese können, beziehungsweise sollen, aufgrund ihrer Vorbildfunktion Präventionsarbeit leisten. Wünschenswert wäre zudem eine grössere Verbindlichkeit der Antirassismus- und Antisemitismusprävention im Bildungswesen. Dabei geht es nicht einfach nur um Moral und Erziehung, sondern in erster Linie um Vernunft. Ausgrenzung und Diskriminierung untergraben die Grundlagen unserer demokratischen Gesellschaft. Nicht nur „Gutmenschen“ sollen aus Überzeugung Minderheiten gegen diese gefährlichen Tendenzen verteidigen, sondern alle, die einen ungetrübten Blick auf die Wirklichkeit haben. Herz und Verstand sind gleichermassen gefordert Was damals eine Katholikin in Zürich war, ist heute eine Muslima in der Schweiz. Sie gehört einer religiösen Minderheit an, spricht zuhause oftmals eine andere Sprache, besucht einen separaten Religionsunterricht, ihre Eltern haben unterschiedliche Erwartungen an ihre gesellschaftliche Stellung, gewisse Gesellschaftsschichten sind ihr nur schwer zugänglich. Warum ich mich nun für eine solche Frau einsetze? Weil ich aus der Geschichte gelernt habe. Gutmenschentum hin oder her. Es gehört zur langjährigen Gepflogenheit des SRK Kanton Zürich, dass die Präsidentin oder der Präsident an der Mitgliederversammlung eine Präsidialadresse an die Anwesenden richtet. In den vergangenen Jahren habe ich dies jeweils zum Anlass genommen, um an dieser Stelle von Henry Dunant, dem Gründer des Roten Kreuzes, zu erzählen, damit wir alle uns erinnern, wie diese grossartige Rotkreuzbewegung entstanden ist. Untermauert durch Zitate und Textausschnitte, habe ich Ihnen jeweils Geschichten über das Wirken von Henry Dunant erzählt und ich habe Ihnen nahe gebracht, von welchen Erlebnissen und Gefühlen der berühmte Henry Dunant sein Handeln herleitete.
Heute werde ich das nicht tun. Heute werde ich kein Zitat von Henry Dunant vorbringen. Heute werde ich nicht von Dunants Taten in Solferino berichten. Heute reden wir von einer Frau: Anne. Anne Anne, die Tochter eines Spitaldirektors, Mutter von 5 Kindern, wohnte anfangs des 19. Jahrhunderts mit ihrer Familie in ländlichem Gebiet.[1] Anne war bekannt für ihre mildtätige Gesinnung, für ihre Liebe und Sorge zu Menschen in Not. Obwohl dies damals unüblich war, gestattete Anne den Kindern des benachbarten Waisenhauses, ihren Garten zu benutzen, um sich dort unter den Büschen zu erholen. Vielleicht haben Sie schon darüber gelesen, wie lieblos und mit mangelnder Ernährung Waisenkinder damals aufgewachsen sind: Wir möchten solches nicht durchmachen müssen. Doch dabei blieb es mit dem Engagement von Anne keineswegs: Anne ging mit ihren Kindern zu Besuchen in Armenvierteln, wo sie Kranke aufsuchte und Notleidende beschenkte. Sie besuchte Kranke in Wohnungen, die eher Ställen als Wohnungen glichen, sie ging zu Menschen, die nichts ihr Eigen nannten. Sie besuchte mit ihren Kindern regelmässig das Unglück in Person, als eine Kette unsäglicher Leiden und Entbehrungen aller Arten, sie besuchte Menschen, die die Liebe nicht kannten und auch keine Güte. Aber auch dabei blieb es nicht: Im Jahr 1836 absolvierte Anne mit ihrer Familie eine Frankreichreise. Die Familie besuchte dort ein Gefängnis. Und wenn Sie sich jetzt ein heutiges Schweizer Gefängnis mit Zellen und genügend Essen vorstellen, dann liegen Sie mit ihren Vorstellungen falsch: Das Gefängnis war ein Ort, an welchem Sträflinge in Ketten gelegt und brutal misshandelt wurden. Es war ein aus heutiger Sicht empörender Umgang, den man damals mit den Häftlingen pflegte. Obwohl Anne eine körperlich zerbrechliche Frau war – sie war oftmals bettlägerig – hatte Anne einen starken Charakter. Anne, meine Damen und Herren, deren Bild Sie an der Leinwand sehen können, Anne, steht am Ursprung dessen, was uns heute hier zusammenführt. Anne bereitete mit ihrer Menschlichkeit, mit ihrem Mitgefühl, mit ihrem Vorbild den festen Grund, auf den später der Grundstein für das Schweizerische Rote Kreuz gelegt werden sollte, Denn ohne Anne, ja Sie ahnen es wohl, wäre der Gründer des Roten Kreuzes kaum je empört gewesen über Ungerechtigkeit und Unbarmherzigkeit, kaum je berührt von menschlichem Leid und Not, kaum ein Leben lang getrieben vom Wunsch, dem leidenden Mitmenschen beizustehen. Anne hiess mit vollständigem Namen: Anne-Antoinette Dunant-Colladon und sie war die Mutter von Henry Dunant, dem Gründer des Roten Kreuzes. Sie gehört damit zu den Heldinnen in der Geschichte des Roten Kreuzes - dem Zeitgeist entsprechend unbekannt und ungewürdigt. Und es ist eine bittere Episode der Geschichte, dass sich Henry Dunant aus Furcht vor Strafverfolgung nicht einmal zur Beerdigung seiner Mutter in seine Heimatstadt zurück traute. Dank an SpenderInnen und Freiwillige Und heute, 182 Jahre nach dem Gefängnisbesuch von Anne mit ihrem Sohn Henry, stehe ich vor Ihnen, Sie und ich als Teil dieser Rotkreuzbewegung, und ich darf Ihnen berichten, was wir in einem weiteren erfolgreichen Vereinsjahr erlebt haben und welche Menschen in Not von uns unterstützt worden sind. Im Jahr 2017 haben rund 73‘000 Mitglieder, Gönner und Unterstützerinnen dem SRK Zürich gespendet und das SRK Zürich konnte sich somit seiner Kernaufgabe widmen, sich um die Verletzlichsten zu kümmern. Ich stehe heute hier, um dieser eindrücklichen Zahl von Menschen und Institutionen zu danken. Danken für die vielen Spendengelder, die das SRK Kanton Zürich weitergeben durfte, danken aber auch für die viele Zeit, die freiwillig geleistet wurde. Unsere Freiwilligen im Rotkreuz-Fahrdienst beispielsweise haben 2017 über 2 Millionen Kilometer Fahrdienst geleistet. Das entspricht 5 Mal der Distanz zwischen Erde und Mond. Dabei wurden 10‘300 kranke, rekonvaleszente, betagte oder behinderte Menschen zum Arzt oder in die Therapie begleitet. Bei der Aktion 2x Weihnachten – meinem persönlichen Highlight - wurden 27 Tonnen Geschenke an 50 soziale Institutionen in Zürich ausgeliefert – mit der Hilfe von 24 Freiwilligen, unter ihnen Eislaufkönigin Sara Meier. Im Jahr 2017 spendeten beeindruckende 2700 Freiwillige 191‘000 Einsatzstunden an Zeit für Vulnerable im Kanton Zürich. 371 Freiwillige des Jugendrotkreuzes haben 1000 Kinder und 660 Erwachsene unterstützt und begleitet. Dank an Mitarbeitende Die hervorragenden Leistungen in allen Sparten unseres Vereins verdanken wir in erster Linie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie alle arbeiten hoch professionell und mit gutem Geist. Herzlichen Dank für den grossartigen Einsatz. Der Vorstand des SRK Zürich hat grosse Freude an der hervorragenden Arbeit unserer Geschäftsleitung. Ganz herzlichen Dank an Silvia Wigger Bossardt, Hubert Kausch, Romy Bohnenblust, Silvia Kägi, Barbara Aschwanden, Eve Ehrensperger Sharan, Susanna Lichtensteiger und Marcel Fritsch. Ich kann nicht genug betonen, dass alle 8 hoch professionelle Arbeit leisten. Es ist nicht selbstverständlich, dass eine Geschäftsleitung derart positiv unterwegs ist, wir sind uns dessen voll und ganz bewusst. Und dies verdanken wir in erster Linie der Vorsitzenden der Geschäftsleitung, Silvia Wigger Bosshardt. Silvia ist eine vorbildliche Führungskraft, welche die Geschäfte äusserst effizient, geschickt und erfolgreich führt. Dank an Vorstand Aber auch über den Vorstand des SRK Zürich kann ich nur Gutes berichten. Wir sind ein gut eingespieltes Team, das sich fachlich und menschlich hervorragend ergänzt. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Matthias Mölleney (Vizepräsident), Andrea Rieder, Luzi Bernet und Stefan Leimgruber, Julia Hug, Johannes Trachsler und Heidi Berger für eine ausserordentlich inspirierende Teamleistung in äusserst angenehmer Atmosphäre. Die grossen Herausforderungen Für die Zukunft, meine Damen und Herren, ist unser Hilfswerk gut gerüstet. Wir sind da für Menschen, die arm sind, Menschen die Betreuung und Pflege benötigen, wir sind da für Menschen, die fliehen mussten, um dem Krieg zu entrinnen. Wir sind da für Menschen, die im Kanton Zürich leben und aus dem sozialen Netz gefallen sind. Wir sind da für verletzliche Menschen, die in irgendeiner Form unserer Zuwendung bedürfen. Unser Netz ist weit gespannt und fest etabliert. Wir sind da. Dank seiner Mutter lernte Henry Dunant früh, den Blick für die in Not geratenen und auf Hilfe angewiesenen Mitmenschen zu schärfen. Mit diesem scharfen Blick, mit dem wir auch neue, zukünftige Bedürfnisse erkennen wollen, machen wir uns zuversichtlich auf in ein neues Vereinsjahr. Es gilt das gesprochene Wort anlässlich der Mitgliederversammlung des SRK Kanton Zürich, deren Präsidentin Barbara Schmid-Federer damals war. [1] Frauengestalten um Henry Dunant, Hans Ammann, Henry-Dunant-Museum Heiden, 2000 licken. Nein zur Kündigungs-Initiative der SVP
Von Nationalrat Karl Vogler und Nationalrätin Barbara Schmid-Federer Vor etwas mehr als 40 Jahren ratifizierte die Schweiz die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), welche zum Ziel hat, die fundamentalen Rechte aller Menschen in Europa zu schützen. Die EMRK hat wesentlich dazu beigetragen, auf den Trümmern des 2. Weltkrieges ein Europa der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und des wirtschaftlichen sowie sozialen Fortschritts aufzubauen. Den Menschen in Europa ist damit - nachhaltig - ein Leben in Würde gesichert. Die Bedeutung der Grund- und Menschenrechte Die Schweiz, Vorbildnation für viele Völker dieser Erde, gewährte stets allen Menschen, auch denen, die bei ihr Aufnahme fanden, die Rechte, die ihrer menschlichen Würde zustehen und die schlussendlich ihre Freiheit ausmachen. Heute garantiert unsere Bundesverfassung die Grundrechte: Recht auf persönliche Freiheit, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Sprachenfreiheit, Eigentumsgarantie oder Wirtschaftsfreiheit, um nur einzelne Beispiele zu nennen. Vor 40 Jahren hat die Schweiz sich auch dazu verpflichtet, die in der EMRK garantierten Mindestrechte einer jeden Person zu schützen. Das bedeutet: jeder Mensch, ungeachtet seines Geschlechts und seiner Gruppenzugehörigkeit, hat ein Recht auf faire rechtliche Verfahren und auf die Rechte, die unabdingbar sind, um ein Leben in Freiheit und Würde führen zu können. Wir haben uns international dabei behaften lassen, diese Errungenschaft unserer Zivilisation weiter hochzuhalten. Die in unserer Bundesverfassung festgeschriebenen Grundrechte und die mit der Unterzeichnung der EMRK und weiterer völkerrechtlicher Verträge in unser Recht übernommenen Menschenrechte sind ein Grundpfeiler unserer Demokratie. Eine Volkssouveränität kann nur eine solche sein, wenn allen unter ihrer Herrschaft lebenden Menschen die gleiche Achtung und Würde zugestanden wird. Die unverbrüchliche Gewährleistung dieser Gleichheit mit dem hohen Standard unseres Rechtsstaates ist das Markenzeichen unserer Schweiz, die ihr Glaubwürdigkeit und Ansehen verleiht. Absurde Behauptung 40 Jahre nach der Ratifizierung der EMRK gerät dieses wichtige Regelwerk unserer Rechtsordnung unter einen gefährlichen - und von den Medien zu sorglos mitunter haltenen - Druck. Mit einer Volksinitiative „Schweizer Recht vor fremdem Recht“ - will die SVP, dass die Schweiz geschlossene völkerrechtliche Verträge brechen kann. Namentlich sollen die Gerichte die Europäische Menschenrechtskonvention nicht mehr anwenden dürfen. Schmackhaft gemacht wird dies damit, dass die Initiantinnen und Initianten in unsere Verfassung schreiben wollen, diese sei die höchste Rechtsquelle. Damit wird indirekt in absurder Weise - behauptet, dies sei nicht der Fall und müsse nun mit einer Initiative verlangt werden. Das ist aber in der Schweiz - wie in jedem anderen Verfassungsstaat - klar und selbstverständlich so. Die Grundquelle für die Geltung auch von Völkerrecht ist unsere Bundesverfassung! Diese schreibt vor, dass Bund und Kantone das Völkerrecht zu beachten haben und dass auch dieses für die Gerichte massgebend ist. Wäre dem nicht so, könnten die Initianten gar nicht mit einer Initiative auf Änderung ausgerechnet der Bundesverfassung verlangen, das Völkerrecht solle nicht mehr beachtet werden! Verheerender Angriff auf Völkerrecht, Grundrechte und Menschenrechte Die Umsetzung der Forderungen der Initiative wäre klar verheerend. Man stelle sich vor: Die Schweiz als Vorbildnation schreibt in ihre Verfassung, dass sie sich nicht mehr an einmal unterzeichnete Verträge halten wird, wenn sie das nicht mehr will. Kein Staat würde mehr mit uns völkerrechtliche Verträge abschliessen, derer sie in unserer globalisierten Welt als Kleinstaat aber bitter nötig hat. Mit der geforderten nicht Anwendbarkeit der EMRK gegenüber Bundesgesetzen würden alle Bürgerinnen und Bürger in der Schweiz keinen gerichtlichen Schutz ihrer Grund- und Menschenrechte mehr geniessen. Das Bundesgericht könnte einem Opfer in letzter Instanz nur mitteilen, das streitige Bundesgesetz sei zwar verfassungs- und menschenrechtswidrig, müsse aber trotzdem angewendet werden. Das allenfalls noch so bedauernswerte Opfer müsste die unzulässige Einschränkung seiner Rechte hinnehmen. Die Schweiz wäre so ihren Ruf als sicherer Hort der Rechtssicherheit, der einen bedeutenden Anteil an ihrem Erfolg hat, endgültig los. Dies zeigen Juristen wie alt Bundesgerichtspräsident Giusep Nay – und es müssten noch viel mehr davon sein - überzeugend auf. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sind gut beraten, nicht auf gegenteilige Behauptungen, die Initiative richte sich nicht gegen die Menschenrechte, unsere Bundesverfassung garantiere diese auch, hereinzufallen. Erinnern Sie sich an den James Bond Klassiker «Tomorrow never dies»?
James Bond kämpft in diesem Film gegen das Böse in Gestalt des britischen Medien-Moguls Elliot Carver. Carver versucht, den asiatischen Zeitungs- und Fernsehmarkt zu monopolisieren, und sich mithilfe seines Medien-Imperiums, zu dem die britische Tageszeitung «Tomorrow» und ihr deutsches Pendant «Der Morgen» gehören, die informatorische Weltherrschaft zu gewinnen. Carver hetzt mit bewussten Fake News England und China gegeneinander auf, wobei ein allfälliger Krieg durchaus in Kauf genommen wird. Damit Carver seinen Machtansprüchen entsprechen kann, braucht er Geld und eine kriminelle Energie. Diese setzt er ein durch Fake News, gezielte Falschmeldungen, mit denen er verschiedene Regierungen manipuliert. Dass ein Mann Medien kauft, um Macht auszuüben, kennen wir nicht nur aus spannenden Agenten-Filmen, sondern auch aus dem realen Leben. Silvio Berlusconi konnte mit seinen eigenen Medien die Politik Italiens nachhaltig beeinflussen, ähnlich versucht dies in der Schweiz Christoph Blocher mit den von ihm beeinflussten und dominierten Medien. Service public als Grundversicherung Die Schweiz ist ein politisch stabiles Land, in dem wir sicher und in Wohlstand leben dürfen. Einer der Grundpfeiler unserer Stabilität ist der Service public, die mediale Grundversorgung. Diese Grundversorgung garantiert uns eine ausgewogene Berichterstattung von hoher Qualität in allen Regionen des Landes - auch dort, wo es sich betriebswirtschaftlich nicht lohnt. Der gebührenfinanzierte Service public sorgt dafür, dass die Dienstleistungen in guter Qualität und zu angemessenen Preisen überall zur Verfügung stehen. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für die hohe Lebensqualität in der ganzen Schweiz und für das Gedeihen der Wirtschaft. Wir tun daher gut daran, diese Errungenschaften - gerade in der kleinräumigen Schweiz mit ihrer direkten Demokratie - nicht aufs Spiel zu setzen, denn die direkte Demokratie verlangt politisch unabhängige, möglichst objektive Informationsinhalte zur Meinungsfindung, mehr noch als andere demokratische Staatsformen, in denen Bürgerinnen und Bürger nur alle paar Jahre an die Urne gerufen werden. Service public rentiert nicht, aber er lohnt sich In der Schweiz wäre nach der Abschaffung der Empfangsgebühr kein Schweizer Radio oder Fernsehen in der Lage, mit den heutigen Informationsleistungen vergleichbare Angebote bereitzustellen. Die SRG investiert die Hälfte der Empfangsgebühren in ihre Informationsangebote in Radio, Fernsehen und in den Online-Bereich. Doch selbst die Informationsleistung ist nur zu gut 20 Prozent kommerziell finanzierbar. Ohne Gebührenunterstützung würden auch die andern Programme der SRG sowie der privaten Lokalradios in Berg- und Randregionen und der regionalen TV-Sender drastisch reduziert oder gänzlich eingestellt. Denn auch sie werden durch unsere Gebühren mit finanziert. Die Medienvielfalt, wie wir sie heute kennen, würde zum Spielball von nationalen Medienzaren und internationalen Medienhäusern. Beide Gruppen haben aus unterschiedlichen Gründen kein Interesse, dem Informationsbedürfnis einer direkten Demokratie zu dienen. Die einen verfolgen eine politische Agenda, die anderen machen nur, was hohe kommerzielle Gewinne verspricht. Hier könnte auch ein James Bond nicht mehr helfen. Ein Nein zu No Billag ist ein Gebot der Stunde. Als ich vor neun Jahren im Parlament zwei Vorstösse zur Elternzeit einreichte, waren die Chancen intakt, für dieses Projekt eine Mehrheit zu finden. Elternzeit bedeutet nichts anderes als eine berufliche Auszeit für beide Eltern nach der Geburt eines Kindes.
Heute ist diese Möglichkeit vertan. Sämtliche Minimalforderungen zu diesem Thema werden im Keim erstickt. Auch eine simple Abschätzung der langfristigen volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Elternzeit gewann im Parlament keine Unterstützung. Bald wird das Volk über die im Juli eingereichte Volksinitiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub – zum Nutzen der ganzen Familie» über vier Wochen Vaterschaftsurlaub abstimmen. Obwohl ich die Initiative oder einen allfälligen Gegenvorschlag unterstützen werde, erachte ich die Diskussion mit Fokus einzig auf den Vater als falsch. Der Vaterschaftsurlaub gilt europaweit als Steinzeitmodell, denn er zementiert ein System, in dem der Mutter nach der Geburt Steine in den Weg zurück in die Arbeitswelt gelegt werden. In Europa hat sich die Elternzeit, welche sich Mütter und Väter aufteilen, längst durchgesetzt. Beispielsweise wird in Schweden das erste Lebensjahr durch bezahlte Elternzeit abgedeckt. Danach werden fast alle Kinder familienergänzend betreut. Die Elternzeit kann vom Vater oder von der Mutter bezogen werden. Dieses Modell stärkt die Position der Frauen. In der Schweiz dagegen muss sich eine berufstätige Frau in der Regel 14 Wochen nach der Geburt für den beruflichen Abstieg oder für eine familienergänzende Betreuung entscheiden. Elternzeit bedeutet, mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen. Frauen möchten vermehrt erwerbstätig sein, und Väter würden gern mehr für ihre Kinder da sein. Der 14-wöchige Mutterschaftsurlaub ist eine reine Gesundheitsschutzmassnahme und dient nicht zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Während die Schweiz über Fachkräftemangel und Akademiker-Frauen am Herd jammert, machen wir alles dafür, damit sich diesbezüglich nichts verändert. Das war schon so, als ich selber Kinder grossgezogen habe. Ein Erlebnis hat mich bis heute geprägt: Nach der Geburt unseres ersten Sohnes litt ich an einer postnatalen Depression. Ich war 29 Jahre alt, übte einen erfüllenden Beruf aus, bei dem ich 150 Prozent Leistung erbringen musste. Von einem Tag auf den anderen spielte sich mein Leben nur noch in einer 4-Zimmer-Wohnung ab. Die Veränderungen im Lebensalltag waren tiefgreifend, zumal mein gesamter Freundeskreis kinderlos war. Ich stellte erstaunt fest, dass wir an verschiedenen Orten als Belastung empfunden wurden, sei es durch Kinderlärm im Mehrfamilienhaus, durch den sperrigen Kinderwagen im Einkaufsladen, im Restaurant sowieso, ja selbst beim Stillen erntete ich kritische Blicke. Für mich war rasch klar, dass ich einen Ausgleich im Beruf brauchte. Mein früherer Arbeitgeber bot mir ein 40-Prozent-Pensum an; nach dem Wiedereinstieg fühlte ich mich aber nie mehr richtig integriert im Team bei der Arbeit. Hätte ich in dieser schwierigen Situation ab und zu meinen Mann einspannen können, wäre mir schon sehr viel geholfen gewesen. Dies war jedoch in seiner damaligen beruflichen Situation und ohne Einbezug einer Elternzeit nicht möglich. Es geht nicht darum, die Verantwortung und die Kosten dem Staat und der Wirtschaft zuzuschieben. Mir ist es wichtig, gemeinsam neue Modelle zu entwickeln, die allen etwas bringen – gerade auch der Wirtschaft. Der Kanton Waadt ist in der Organisation und Finanzierung der familienergänzenden Kinderbetreuung ein Leuchtturm. Die öffentliche Hand übernimmt dort knapp die Hälfte und die Arbeitgeber rund 9 Prozent der Kosten. Auch in anderen Westschweizer Kantonen beteiligen sich die Arbeitgeber mittels eines Fonds an der Finanzierung der Kitas und schulischen Tagesstrukturen. Es ist Zeit zum Umdenken – nicht nur in der familienergänzenden Betreuung, sondern auch bei der Elternzeit. Publiziert im Mamablog am 7. Dezember 2017 Aus Überzeugung oder Opportunität?
Die Werte der C-Parteien 30. Oktober 2017, RomeroHaus Luzern Barbara Schmid-Federer, Nationalrätin 3 Thesen: 1. Die christdemokratische Bewegung muss Salz in der Politik sein. Dies ist ihr Grundauftrag C-Parteien müssen Menschenbilder hinterfragen, die attraktiv sind, weil sie einfache Lösungen für komplexe Probleme bieten und für die Menschen scheinbar unerträgliche Spannungen vorschnell auflösen. Beispiel Kommunismus: der Mensch muss der richtigen Klasse angehören, Beispiel Nationalsozialismus: der Mensch muss der richtigen Rasse angehören, Beispiel Fundamentalismus: der Mensch muss der richtigen Religion angehören. Solche Entwicklungen entstehen, wenn Menschen Angst haben. Das Salz der C-Bewegungen schöpft Hoffnung aus dem christlichen Menschenbild. Es erinnert daran, dass der Mensch geachtet wird wie er lebt und steht. Dass wir Sorge tragen zu Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. 2. Der Umgang mit der Religionsfreiheit ist der Prüfstein für eine echte Wertedebatte Ein zentraler Wert des demokratischen Rechtstaats ist heute besonders gefährdet, jener der Religionsfreiheit. Religionsfreiheit ist ein Gut, das für die Schweiz unersetzlich ist und im Wettstreit der Werte auf dem Spiel steht. Eine aus christlicher Sicht gewonnene Kritik des Wertebegriffs: Wahrheit und Liebe sind „wertlos“ und stehen im Widerspruch zur Instrumentalisierung von Werten. Wahrheit und Liebe verbinden sich mit dem Ernstnehmen von Menschenwürde, Solidarität, Subsidiarität und Gemeinwohl. Als Politikerin bin ich dafür zuständig, dass Demokratie und Rechtsstaat nicht aus dem Gleichgewicht geraten. Der Ausnahmeartikel Minarettverbot ist ein gutes Beispiel für die Instrumentalisierung von Werten zugunsten parteipolitischer Propaganda. Dasselbe würde mit dem Burkaverbot geschehen, weshalb ich es ablehne. 3. Das Salz der Christdemokratie ermutigt zu Begegnungen und ist zukunftsfähig Das christliche Menschenbild, das Salz der Christdemokratie, verlangt nach einer konstruktiven und realitätsbezogenen Sachpolitik, basierend auf einem berechenbaren weltanschaulichen Fundament. So braucht es wieder vermehrt Mut zu Unpopularität, gerade dann, wenn Fremdenfeindlichkeit und Rassismus salonfähig werden. Christlich motivierte Politik gibt die Hoffnung auf würziges Essen für wirklich alle Menschen nie auf. Die Christdemokratie ist eine Bewegung, die man erfinden müsste, wenn es sie nicht geben würde. Nationalrat Beat Walti lässt sich in der gestrigen Ausgabe der NZZ zur "Altersvorsorge 2020" folgendermassen zitieren:
„Aber ich hätte mir gewünscht, dass man während der parlamentarischen Arbeit mehr vom bürgerlichen Willen zur Zusammenarbeit gespürt hätte. Die Vorgeschichte war halt etwas kompliziert – der Ständerat als Erst-Rat hat das Geschäft in seiner alten Besetzung noch in der letzten Legislatur aufgenommen. Dann kamen die Wahlen und der Moment, in dem sich die CVP aus der bürgerlichen Zusammenarbeit verabschiedet hat.“ Lieber Beat Walti Das Geschäft „Altersvorsorge 2020“ wurde in der Tat in der letzten Legislatur, - also in der alten Zusammensetzung des Parlaments -, in Angriff genommen. Dabei hat der Ständerat etwas geleistet, was ich in den vergangenen 10 Jahren noch nie erlebt habe: Bei einem sehr komplexen Geschäft ist es ihm gelungen, in kurzer Zeit einen Kompromiss zu schmieden, der ohne Gegenstimme aus der zuständigen Kommission heraus gekommen ist. Ohne Gegenstimme bedeutet, dass die bürgerlichen PolitikerInnen aus FDP, BDP, GLP, SVP, und CVP dem Kompromiss entweder zugestimmt oder sich der Stimme enthalten haben. Wer sich der Stimme enthielt, wollte das Ja nicht verhindern. Bürgerliche sind in Bundesbern in der Mehrheit, weshalb Kompromisse ohne sie schlicht nicht möglich sind. Die letzte Legislatur, das war noch eine Zeit, als die Mitglieder der FDP bei einer Kompromisssuche den Lead hatten: eine staatstragende Partei, die sich der Rolle der Vermittlerin bewusst war und sich nicht zu schade war, auch einmal mit der Linken zusammen zu sitzen und auszuhandeln. Dann kamen in der Tat die Wahlen und die neue FDP verliess ihre Vermittlerrolle. Das erste, was von Seiten FDP nach den Wahlen zu lesen war: „Zu diesem Kompromiss bieten wir keine Hand. Punkt.“ Neue Personen, neue Töne. Die FDP folgte ab sofort blind dem Arbeitgeberverband und liess sich von dessen ideologischen Ansichten führen, ohne Rücksichten auf die verschiedenen Befindlichkeiten im Rat. Wenn Politiker einem Verband blind folgen, werden Kompromisse nicht mehr möglich. Da die FDP sich ab sofort von den Verhandlungen verabschiedete, übernahm die CVP den Lead bei der Kompromisssuche. Schlussendlich obsiegte die heutige Vorlage in der massgeblichen Schlussabstimmung mit 27:18 Stimmen im Ständerat und mit 100:93 Stimmen im Nationalrat. Trotz neuer FDP ist es dem Bundesparlament gelungen, in fast drei Jahren eine Vorlage auf den Tisch zu legen, die mehrheitsfähig ist. Schneller ist nicht möglich. Das gilt auch für den Fall, dass die Vorlage abgelehnt wird. Bloss: diese Zeit haben wir schlicht und einfach nicht mehr. Liebe Grüsse Barbara Schmid Die Vorlage Altersvorsorge 2020, über die wir am 24. September abstimmen, ist ein klassischer Kompromiss: Die linke Ratshälfte konnte die Streichung der Witwenrente verhindern und eine leichte Erhöhung der AHV-Rente erzielen. Die rechte Ratshälfte ihrerseits konnte nicht nur die Senkung des Umwandlungssatzes und die Erhöhung des Rentenalters der Frau durchsetzen: Insgesamt hat die Ratsrechte einen eigentlichen Strauss an Massnahmen durchgesetzt – ganz im Sinne des Gewerbeverbandes.
Wenn der Gewerbeverband nun über die Vorlage jammert, dann vergisst er zu erwähnen, dass die Mehrheit der Revisionspunkte aus seiner eigenen Feder stammt:
Und natürlich wollte der Gewerbeverband das Rentenalter über das 65. Altersjahr hinaus erhöhen. Der Bundesrat hat dies aus gutem Grund abgelehnt: Eine allgemeine Erhöhung des Rentenalters wäre der Todesstoss für die Reform. Und zwar an der Urne. Der Gewerbeverband hat nichts zu Jammern. Sollte die Altersvorsorge 2020 scheitern, scheitern auch die vielen Revisionspunkte, die der Gewerbeverband gegen den Willen des Bundesrats durchgesetzt hat. Wer die heute vorliegende Reform ablehnt, nimmt in Kauf, dass der Reformstau in den Sozialversicherungen nach 20 Jahren weiter andauert. Dies ist zum Nachteil insbesondere von Jungen, Frauen, Gewerbe, Landwirtschaft und tieferen Einkommensklassen. Unsere Sozialwerke dürfen nicht an die Wand gefahren werden. Politisch verantwortungsvoll handeln erfordert deshalb eine überzeugte Zustimmung zur Reform "Altersvorsorge 2020". Eine seltsame Allianz von SVP/FDP mit K-Tipp und den Jungsozialisten bekämpfen die Rentenreform Altersvorsorge 2020, über die wir am 24. September 2017 abstimmen.
Seltsam ist der Widerstand deshalb, weil ausgerechnet zwei bürgerliche Parteien gegen die Erhöhung des Frauenrentenalters und gegen die Senkung des Umwandlungssatzes in der zweiten Säule kämpfen, beides Elemente, die sie schon seit vielen Jahren fordern. Seltsam auch deshalb, weil sich extrem linke Gruppierungen gegen eine historisch einmalige Erhöhung des AHV-Beitrags wehren. Die Tür für eine Erhöhung des AHV-Beitrags steht bis zum 24. September offen. Danach geht sie wieder zu. Wenn die Linke jetzt Nein sagen, bleibt ihr Anliegen dauerhaft vom Tisch Was passiert, wenn die Altersvorsorge 2020 scheitert? Ein Nein zu dieser Vorlage würde bedeuten, dass unsere AHV-Kasse 2030 leer ist. Ein Nein würde ebenfalls bedeuten, dass die Pensionskassenansprüche der Jungen weiterhin massiv geschmälert würden, weil sie die heutigen Renten mitfinanzieren müssen. Das AHV-Alter der Frauen wäre weiterhin 64 Jahre. Eine spätere Diskussion über eine Anpassung des AHV-Alters an die erhöhte Lebenserwartung wäre politisch unrealistisch. Die Mehrwertsteuer müsste innert drei Monaten auf 7,7 Prozent reduziert und anschliessend wohl umso stärker erhöht werden. Dieses «Auf und Ab» verursacht bei der Wirtschaft unnötig Kosten von jeweils 300 Millionen Franken. Das politisch gewichtige Dossier zur Sanierung der Sozialversicherungen wäre vollständig blockiert. Wer würde nochmals einen Anlauf nehmen, um das AHV-Alter der Frauen auf 65 Jahre anzuheben, nachdem dieser Versuch zweimal vor dem Volk gescheitert ist? Auf welche Höhe würden der Umwandlungssatz und damit die Renten reduziert, nachdem eine Reduktion von 6,8 Prozent auf 6,4 (mit mehr als 70 Prozent abgelehnt) wie auch auf 6,0 Prozent an der Urne gescheitert sind? Selbstverständlich würden Bundesrat und Parlament eine neue Vorlage erarbeiten. Doch jede Neuauflage wird immer noch teurer, denn die bestehenden strukturellen Probleme wären in einigen Jahren noch wesentlich grösser heute. Die AHV müsste mit einer wesentlich grösseren Mehrwertsteuererhöhung saniert werden. Die Renten bei den Pensionskassen müssten stärker reduziert werden. Eine Kompensation der Rentenreduktion würde teurer ausfallen. Wer heute zu dieser Vorlage Nein sagt, muss eine Neuauflage in fünf Jahren bei einer konsequenten Haltung erst recht ablehnen. Zu dieser Vorlage gibt es keinen Plan B. Ein Ja zur Altersvorsorge 2020 ist schlicht und einfach ein Akt der politischen Vernunft. In der Frühlingssession hat das eidgenössische Parlament das Reformpaket Altersvorsorge 2020 verabschiedet. Dieses wird am 24. September 2017 der Bevölkerung zur Abstimmung unterbreitet. Bundesrat und Parlament empfehlen ein klares Ja. Von der Altersvorsorge 2020 profitieren auch die Frauen. Warum braucht es eine Reform Schweizerinnen und Schweizer werden immer älter. Gleichzeitig kommt die Generation der Babyboomer ins Rentenalter. Dies stellt die Altersvorsorge vor neue Herausforderungen. Auch die wirtschaftlichen Herausforderungen bleiben konstant schwierig, insbesondere der schlechten Renditen wegen. Die Reform der Altersvorsorge ist daher zwingend notwendig. Sämtliche Reformen der letzten Jahrzehnte sind gescheitert. Ein erneutes Scheitern können wir uns schlicht und einfach nicht mehr leisten. Die Ziele der Reform sind denn auch klar: Das Rentenniveau bleibt erhalten, die Leistungen werden ausreichend finanziert, die Altersvorsorge wird an veränderte gesellschaftliche Bedürfnisse angepasst und Vorsorgelücken – gerade bei Frauen – werden geschlossen. Die Ziele sind mit der vorliegenden Reform erreicht. Anliegen der Frauen stark verbessert Mit der neuen Reform wird zwar das Rentenalter der Frau auf 65 erhöht, unter dem Strich ist das Gesamtpaket für die Frauen aber positiv. In zentralen Punkten wurden die Anliegen der Frauen stark verbessert:
Ein Nein zur Reform können wir uns nicht leisten Im Falle eines Neins wird das kumulierte Defizit der AHV im Jahr 2030 mehr als 40 Milliarden Franken betragen. Gleichzeitig wären im AHV-Fonds nur noch 12 Prozent der Mittel vorhanden, die es für die Sicherung und das Auszahlen der Renten braucht – heute sind es 100 Prozent. Das bedeutet konkret, dass wir im Jahr 2030 nicht mehr genug Liquidität haben, um die Renten zu bezahlen. Um den AHV-Fonds dann wieder auf 100 Prozent zu bringen, bräuchte es 53 Milliarden Franken. Dies wäre dann die teuerste Variante überhaupt. Diese Vorlage darf nicht scheitern. Darum: Ja am 24. September 2017. Ramona ist Coiffeuse in Teilzeitanstellung. Sie verdient 2000 Franken pro Monat.
Wenn SVP und FDP sich bei der Rentenreform durchsetzen, dann werden sich – bedingt durch die Streichung des Koordinationsabzugs – Ramonas Pensionskassenbeiträge im Vergleich zu heute verdoppeln. Konkret müsste sie monatlich rund 100 Franken mehr einbezahlen. Ihr ohnehin schon tiefer Lohn würde immer weniger reichen, um über die Runden zu kommen. Auch der Coiffeurbetrieb hätte ein Problem, denn er müsste ebenfalls Fr. 100 pro Monat mehr für seine Angestellte einbezahlen. Die Lohnkosten würden stark ansteigen. Das ist für Branchen wie das Coiffeurgewerbe oder das Gastgewerbe eine ausserordentlich starke Belastung. Die Rentenverbesserungen, die mit dem Modell SVP/FDP einhergehen, greifen zu spät. In der beruflichen Vorsorge braucht es eine lange Anspardauer bis die Beitragserhöhungen rentenwirksam sind. Die heute 50-Jährigen Frauen, die Teilzeitarbeit leisten, würden viel mehr einbezahlen als im Ständeratsmodell, sie würden aber gar keine Rentenverbesserungen sehen. Das ist ein falsches Zeichen. Denn genau diese Frauen, die heute auch mit Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu kämpfen haben, sind von der Erhöhung des Rentenalters stärker betroffen als jüngere Frauen. Sie brauchen auch einen Ausgleich für ihre geleistete Teilzeitarbeit. Das kann aber nur durch einen AHV-Zuschlag geschehen. Ramona hat Glück, denn sie hat eine Pensionskasse. Jede vierte erwerbstätige Frau hat aber keine Pensionskasse. Dies, weil sie ein zu geringes Einkommen – unter Fr. 21’00 pro Jahr - erzielt oder selbständig erwerbstätig ist. Diese Frauen sind auf AHV-Verbesserungen angewiesen, um trotz teilzeitlichen Erwerbsarbeit ein besseres Renteneinkommen zu erzielen. Dies ist nur möglich, wenn sich das Ständeratsmodell durchsetzt und die 70 Franken mehr AHV-Rente gesichert sind. „Der Feind, unser wahrer Feind, ist nicht die Nachbarnation; es sind Hunger, Kälte, Armut, Unwissenheit, Gewohnheit, Aberglaube und Vorurteile“ (Henri Dunant, Gründer des Roten Kreuzes).
Dieses Zitat von Henri Dunant bildet die Grundlage für meine Motivation, für das Rote Kreuz im Einsatz zu sein. Doch schon früh kam ich in Kontakt mit der Rotkreuzbewegung: Im Jahre 1994 lernte ich meinen damaligen Vorgesetzten, Prof. Jakob Nüesch, ehem. Präsident der ETH Zürich kennen. Prof. Nüesch wurde einige Jahre später ins Komitee des IKRK gewählt und ab sofort weitete sich meine Arbeit auch auf das IKRK aus. Die Begeisterung Nüesch‘s für das Rote Kreuz steckte mich buchstäblich an. Dunants genial einfache Idee, während der Friedenszeit Organisationen zu gründen, deren Ziel es sei, durch solide Freiwilligenarbeit Verletzte zu pflegen, pflanzte sich in mein Herz ein und liess mich nicht mehr los. Ich schwor mir, mein Leben lang für das Rote Kreuz zu spenden. Inzwischen spende ich nicht nur, sondern ich wurde 2011 zur Präsidentin des Schweizerischen Roten Kreuzes Kanton Zürich gewählt. Es hätte ja sein können, dass Dunant’s ursprüngliche Idee nie realisiert und wieder vergessen worden wäre. Dunant selbst wurde ja zeitweise vergessen, ja sogar aus dem Roten Kreuz verstossen. Dass seine Idee 150 Jahre später noch real umgesetzt wird, verdankt die Welt, verdankt die Schweiz, verdankt der Kanton Zürich zahlreichen Freiwilligen und Mitarbeitenden, die sich im Namen des Roten Kreuzes engagieren. Sie sind es, die das Werk weiter tragen. Der Mensch kann anderen Menschen nur dann helfen, wenn er ihn so annimmt wie er ist: Sei es ein Bettler, sei es eine Ausländerin, sei es ein Kranker oder eine Hungernde. Wenn im SRK Zürich pro Jahr Tausende Stunden Freiwilligenarbeit geleistet werden, dann wird das was Dunant „den Feind“ nannte, verdrängt: Hunger, Kälte, Armut, Unwissenheit, Gewohnheit, Aberglaube und Vorurteile. Die Schweiz steht aus meiner persönlichen Sicht vor zwei grossen Herausforderungen: 1. Eine Weltweite Migrationszunahme, welche vor keiner Grenze halt macht. Unser Land wird sich je länger je mehr mit Menschen befassen müssen, welche auf der Flucht sind und bei uns Schutz suchen. Das SRK-Zürich gibt die Antwort darauf: Mit der medizinischen Anlaufstelle für Sans-Papiers und mit verschiedenen Bildungs- und Integrationsangeboten ist es da. Diese Aufgaben gilt es in Zukunft speziell zu fördern. 2. Zunehmend länger lebende Menschen, immer weniger Junge und damit das Problem der Pflege von betagten Menschen. Zu wenige Junge werden viel zu wenig Zeit haben, um die zunehmende Zahl an älteren Menschen zu pflegen, wenn diese Hilfe brauchen. Ich bin überzeugt, dass wir vor einem enormen Pflege- und Betreuungsproblem stehen werden und auch hier gibt das SRK-Zürich eine Antwort darauf: Wir schliessen die Lücken im Pflegebereich und bilden Pflegehelferinnen SRK aus. Eine fachlich kompetente Unterstützung der Pflegefachleute wird – davon bin ich überzeugt – sowohl in den Heimen als auch im privaten Bereich immer wichtiger, weshalb ich grossen Wert darauf legen werde, diesen Bereich speziell zu fördern. Einer der „wahren Feinde“ ist gemäss Henry Dunant das Vorurteil. Viele ungerechtfertigte Vorurteile gegenüber Flüchtlingen oder Pflegebedürftigen beschäftigen mich seit je her. Rotkreuz-Arbeit ist auch das Überwinden von Vorurteilen. Nur so gelingt die Hilfe, nur so wird geholfen. Am 30. September 2016 hat das Parlament einer Verfassungsänderung zugestimmt, die eine erleichterte Einbürgerung der dritten Generation ermöglicht. Heute ist diese Verheirateten und Staatenlosen vorbehalten. Das entsprechende Umsetzungsgesetz wird noch vor der Volksabstimmung im Februar verabschiedet werden.
Acht Jahre hat es gedauert, bis es soweit war. Das zeigt, dass das Parlament die Sache sehr ernst genommen hat. Sorgfältig wurde analysiert und abgewogen. Das vorliegende Gesetz bleibt nah am Verfassungsartikel. Was etwa die Definition des Begriffs der «dritten Generation» angeht, ist es recht restriktiv. Ziel ist es, den Jugendlichen der dritten Generation gerecht zu werden, auch wenn der Begriff eigentlich unpassend ist. Die dritte Generation von wem? Von Migrantinnen und Migranten? Nein, weil sie genau wie ihre Eltern hier geboren wurden und zur Schule gegangen sind. Es wird zwei grundsätzliche Änderungen geben:
Ich sage JA zu dieser Verfassungsänderung: Weil die Schweiz nicht länger Ausländer «machen» darf Können wir die Enkel der vor vielen Jahren zu uns gekommenen Gastarbeiterinnen und -arbeiter noch Migranten nennen? Diese Jugendlichen haben kaum mehr eine Verbindung zur Heimat, zur Kultur und zur Sprache ihrer Grosseltern. Viele kennen das Land nur von den Ferien. Sie sprechen unsere Sprache, wohnen, studieren, arbeiten und leben in der Schweiz. Nichts unterscheidet sie von den Jugendlichen mit einem Schweizer Pass. Weil die Jugend unsere grosse Chance ist Die Jugend ist unsere Zukunft. Sie soll mitreden, mitgestalten und unser Vertrauen spüren können. Genau dieses Vertrauen zeigen wir ihnen mit der Möglichkeit einer erleichterten Einbürgerung. Es macht deutlich, dass wir an sie glauben. Dass sie der Schweiz nicht nur viel geben, sondern auch etwas zurückerhalten. Die Jugendlichen geben der Schweiz den Schwung, den wir brauchen, um weiterhin voranzukommen. Weil der Schweizer Pass nicht verschleudert wird Die Frage, die die wir uns stellen müssen, ist einfach: Ist es gerecht, die erste und dritte Generation im Einbürgerungsverfahren gleich zu behandeln? Betroffen von der Änderung werden nur wenige Jugendliche sein: Schätzungen gehen von 4000 bis 5000 pro Jahr aus. Angesichts der zwei Millionen Ausländerinnen und Ausländern, die hier leben, ist das wenig. Für die Betroffenen aber ist es ein wichtiges Signal: Nach drei Generationen ist sie oder er endlich voll und ganz Schweizerin oder Schweizer. Weil niemand automatisch eingebürgert wird Es gibt auch in Zukunft keine automatische Einbürgerung. Die Lösung respektiert den Wunsch jeder und jedes Einzelnen. Wer erleichtert eingebürgert werden will, muss das ausdrücklich wollen und wünschen. So können beide Seiten sicher sein, dass das Einbürgerungsbegehren auch wirklich ernst gemeint ist. Weil die Migrantinnen und Migranten von vorgestern, gestern unseren Jugendlichen von heute das Leben geschenkt haben, und um diese endlich anzuerkennen, sage ich am 12. Februar 2017 JA. Vor 10 Jahren war ich eine der ersten PolitikerInnen, welche Facebook als Instrument für das öffentliche Wirken nutzte. Der Politologe Mark Balsiger hat dies damals zum Anlass genommen, meine Facebook-Aktivitäten in einem Wahlkampfbuch zu beleuchten.
Damals lernte ich aber auch von Internet-Experten, dass Facebook eine öffentliche Plattform sei: Während die meisten Facebook-User das Gefühl hätten, eine gewisse Privatsphäre sei dort gegeben, sei dem eben nicht so. Was auf Facebook publiziert ist, ist für immer der Öffentlichkeit preisgegeben und kann auch noch Jahrzehnte später auf dem Netz gefunden werden. Aus diesem Grund habe ich mich auf Facebook nie mit der eigenen Familie „befreundet“ und nie private Bilder von ihnen gepostet. Vor 10 Jahren war Facebook eine immense Hilfe für mich, denn als Quereinsteigerin hatte ich keine Tools, um Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. So benutzte ich damals die revolutionär neue Plattform, um meine Meinungen kund zu tun und wurde auch deswegen überraschend gewählt. In der Zwischenzeit hat sich vieles verändert: PolitikerInnen und Journalisten tummeln sich heute auf Twitter, wo ich mich persönlich sehr wohl fühle. Facebook ist je länger je unpolitischer geworden. Nationalräte heute benutzen die Plattform oftmals, um Ferienfotos oder sympathische Bilder über sich selber zu veröffentlichen. Eine Art Narzissmus hat Einzug genommen. Fehler Nummer 1, gemäss Polizei, ist das bekannt geben von Ferienabwesenheiten auf Facebook. Nun ist es so, dass viele User auf Facebook bekannt geben, wo sie gerade in den Ferien sind und wie es dort aussieht. Das erachte ich als verantwortungslos, denn längst haben Diebe dieses Tool entdeckt, um bei Ferienabwesenheit einzubrechen. Viele Eltern posten regelmässig Bilder ihrer kleinen Kinder. Dies erachte ich als Missbrauch der Kinder selber, denn diese werden sich vielleicht in 20 Jahren schämen, dass solches Material von ihnen ins Netz gesetzt worden ist. Meine Kinder haben früh gelernt, dass es wünschenswert ist, auf Facebook keine privaten Details bekannt zu geben und dass es erlaubt ist, auf Facebook die Wahrheit zu verdecken. Viele Jugendliche haben sich längst aus Facebook zurückgezogen. Dort lauern zu viele Grosseltern und Eltern, die das Tool nutzen, um ihre Kinder kontrollieren zu können. Es ist bekannt, dass es vielen Jugendlichen schwer fällt, sich auf Facebook nicht mit ihren Eltern zu befreunden. Jugendliche wollen unter ihresgleichen im Netz kommunizieren. Gerade weil ich seit Jahren die Schattenseiten von Facebook kenne und thematisiere, fühle ich mich seit längerem unwohl auf einer Plattfom, die zunehmend private Züge annimmt. Nach langem Überlegen bin ich Mitte August zum Schluss gekommen, dass ich nicht auf einer Plattform bleiben sollte, auf welcher ich mich unwohl fühle. Deshalb habe ich mein Facebook-Konto gelöscht. Das ist aber kein Rückzug aus den Social Medias. Ihr findet mich weiterhin auf Twitter, Xing und LinkedIn, etc. Gleichzeitig bleibe ich offen für Neues. Nach der Debatte im Nationalrat über das dunkle Kapitel der Schweizer Verdingkinder fragte mich eine Studentin, warum um Himmels Willen damals niemand etwas getan habe, um die Gräueltaten gegen diese wehrlosen Menschen zu verhindern. Ich gab ihr zur Antwort: die Generation meiner Enkel wird uns fragen, warum um Himmels Willen wir nichts getan hätten, als Tausende von Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrunken seien. Wir hätten nicht nur zugeschaut: Wir hätten sogar gleichzeitig unsere Ferien am Mittelmeer genossen – als ob nichts geschehen wäre.
Warum kümmert uns das Massengrab Mittelmeer so wenig? Zu lange haben wir gebetsmühlenartig gehört, die Menschen im fernen Süden seien faul und eh nur Wirtschaftsflüchtlinge. Zu lange haben wir hilflos zugeschaut, wie durch den IS Terroranschläge nicht nur in Paris oder Brüssel, sondern fast täglich in Afghanistan, Irak oder Syrien verübt werden. Längst haben wir uns abgewöhnt, Empathie für Menschen auf der Flucht aufzubringen. Wir finden, irgendwie seien die dort ja selber schuld. Auf die Frage, wie wir die Flüchtlingsströme Richtung Europa verhindern könnten, fehlen uns schlicht die Antworten. Eine hochrangige, international tätige Schweizerin erklärte mir vor kurzem, man wisse heute, dass man durch das Stoppen von Waffenexporten einen beachtlichen Teil der Flüchtlingsströme beenden könne, doch kaum jemand wolle dies zur Kenntnis nehmen. In der Tat: Dieses Argument sticht nicht im bürgerlichen Nationalrat. Dabei blenden wir aus, dass es für die Völkerwanderung Gründe gibt, die es zu bedenken gilt. Unser Wohlstand verdrängt die Fakten: Wir müssen zwingend die Frage beantworten, wie wir Vertriebenen aus Syrien eine Alternative zum gefährlichen Weg nach Europa bieten können. Diese Debatte ist längst überfällig. Doch was tun wir? Wir diskutieren über ein Burkaverbot. Wer als Flüchtling zu uns kommt, ist oftmals muslimischen Glaubens. Das Christentum lehrt zwar eindringlich, dass Menschen immer als Menschen zu beurteilen seien, unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Herkunft oder ihrem Glauben (das Gleichnis des Samariters lässt grüssen). Doch das lässt die hiesige Christenheit kalt. Wir haben Angst, das christliche Religions- und Kulturgut zu verlieren und wehren uns gegen eine angeblich drohende Islamisierung der Schweiz. Dabei blenden wir aus, dass die christliche Substanz des sogenannten Abendlands mit oder ohne Muslime längst in Auflösung begriffen ist. Unsere Angst verdrängt die Fakten: Wir müssen zwingend die Frage beantworten, wie das Zusammenleben von Christen, Juden und Muslimen in Zukunft gelingen soll. Diese Debatte ist längst überfällig. Doch was tun wir? Wir diskutieren über ein Burkaverbot. Europa war während langer Zeit eine Hochburg der Zivilisation. Der Zusammenschluss der Europäischen Staaten nach dem zweiten Weltkrieg ermöglichte uns ein Leben in Frieden und Wohlstand. Diese Zeiten sind vorbei. Asiatische Länder laufen uns den Rang ab. Dabei blenden wir aus, dass wir es verpasst haben, Lösungen für Wirtschaftskrisen vorzubereiten. Unser Narzissmus verdrängt die Fakten: Wir müssen zwingend die Frage beantworten, wie wir innovativ mit neuen Weltmärkten umgehen wollen. Diese Debatte ist längst überfällig. Doch was tun wir? Wir diskutieren über ein Burkaverbot. Die Schweiz kennt eine langjährige Kultur der Bescheidenheit und der Kompromisssuche. Diese Werte gilt es aus der Mottenkiste hervorzuholen. Die Herausforderungen von Terrorismus, Extremismus, Migration und Integration sind viel umfassender als nur die Ebene religiöser Symbole. Die Diskussion über ein Burkaverbot ist deshalb reine Zeitverschwendung, denn sie lenkt nur davon ab, Lösungen zu den echten, tiefer liegenden Problemen zu erarbeiten. Nutzen wir die Zeit und überlegen wir uns, wie wir als Zivilgesellschaft das Zusammenleben von Fremden und heimischen Menschen einüben können, als eine ganz bestimmte Kleiderkultur zu verbieten, die zudem bloss eine verschwindende Minderheit betrifft. Am 25. September 2016 kommt die AHVplus-Initiative der Gewerkschaften zur Abstimmung. Die Initiative
fordert 10 Prozent höhere Renten für alle – egal ob die Empfänger diese Erhöhung nötig haben oder nicht. Bundesrat, Ständerat und Nationalrat lehnen diese Volksinitiative klar ab. Hier die für mich fünf wichtigsten Argumente gegen die Initiative: 1. Pauschale Rentenerhöhung kostet Milliarden Die Altersvorsorge steht vor finanzpolitischen Schwierigkeiten. Die steigende Lebenserwartung und die sinkenden Anlagerenditen sind für das System grosse Herausforderungen. Immer weniger junge Erwerbstätige müssen immer mehr Renten finanzieren. Bereits 2014 hat die AHV mehr ausbezahlt als eingenommen. Werden keine Gegenmassnahmen ergriffen, fehlen bis 2030 jährlich 7,5 Milliarden Franken. Mit der Initiative wären es 2030 nochmals 5,5 Milliarden Franken mehr. Um die Renten zu sichern, braucht es eine Gesamtreform und nicht eine teure isolierte Rentenerhöhung. 2. Nein zur Gefährdung der Altersreform 2020 Die „Altersreform 2020“ ist das wichtigste Projekt der kommenden Jahre. Diese Reform darf nicht scheitern: Denn nur mit ihr wird die AHV so saniert, dass wir heute wie morgen sichere Renten garantieren können. Die Reform 2020 ist eine umfassende Reform, welche alle drei Säulen als Gesamtpaket betrifft. Es ist schlicht fahrlässig, in der jetzigen Situation mit einem Einzelanliegen, nämlich der Erhöhung der AHV-Renten, die laufende Reform zu untergraben. Die AHVplus-Initiative gefährdet die dringend nötige Reform der Altersvorsorge als Gesamtpaket. 3. Nein zum Giesskannenprinzip Die Initiative will eine Erhöhung der Altersrente um 10 Prozent im Giesskannenprinzip auf alle verteilen. Statt der Altersarmut entgegen zu wirken, nützt diese Erhöhung gerade den unteren Einkommen wenig: Bei der Minimalrente würden wir von einer Erhöhung von 1170 Franken auf 1280 Franken sprechen, bei der Maximalrente wäre die Erhöhung jedoch von 2340 auf 2580 Franken – also total erhalten die höheren Einkommen bedeutend mehr zusätzlich. Jene bekommen also mehr, die es gar nicht nötig haben – auf Kosten aller. Das muss verhindert werden. 4. Von der Initiative profitieren die Falschen Wem die Rente nicht ausreicht, wird mit Ergänzungsleistungen (EL) unterstützt. Viele Rentnerinnen und Rentner würden nach Annahme der Initiative nicht besser fahren, da sie anstelle von Ergänzungsleistungen eine Rente erhalten würden. Alle weiteren Vergünstigungen im Alltag würden damit aber entfallen und die Rente wäre dann sogar noch steuerpflichtig. Die Rentnerinnen und Rentner der unteren Einkommen mit bescheidener Vorsorge hätten zum Schluss nicht mehr im Portemonnaie als zuvor. 5. Massive Erhöhung der Lohnbeiträge verhindern Die Initiantinnen und Initianten schlagen vor, die zusätzlichen Kosten mit einer Erhöhung der Lohnbeiträge zu decken. Das würde bedeuten, dass ab sofort sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer 0,5 % mehr einbezahlen müssten. Diese Erhöhung schadet unseren KMU, welche mit dem teuren Franken sowieso schon geschwächt sind. Diese Erhöhung der Beiträge würde aber auch bedeuten, dass alle Arbeitnehmenden weniger Geld im Portemonnaie haben, als heute. Dies wäre vor allem für Familien und Personen mit tiefen Einkommen belastend. Ein Scheitern der Reform Altersvorsorge 2020 können wir uns nicht leisten. Wenn wir nichts tun, haben wir 2030 bei der AHV eine Finanzierungslücke von 9 Milliarden Franken. Vor diesem Hintergrund ist es fahrlässig, der Volksinitiative AHVplus zuzustimmen. Ein NEIN ist daher die einzig richtige Lösung. Am 28. Februar 2016 stimmt die Schweizer Bevölkerung über die "Durchsetzungsinitiative" der SVP ab. Eine Annahme der Initiative wäre fatal.
Die Durchsetzungsinitiative hat ein radikales Anliegen: Personen ohne Schweizer Pass sollen unbesehen ihrer Wurzeln in der Schweiz selbst bei leichten Delikten automatisch und ohne Rücksicht auf die Umstände ausgeschafft werden. Die vorgeschlagene Verfassungsnorm verletzt die Grundrechte der Bundesverfassung, die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und das Personenfreizügigkeitsabkommen. Der dreiseitige Initiativtext entspricht einem Bundesgesetz, nicht einem Verfassungsartikel. Die Annahme der Initiative würde einen demokratischen Systembruch bewirken, mit unabsehbaren Folgen für die Rechtsordnung und die Rechtssicherheit. Hervorzuheben sind folgende Punkte: 1. Die Praxis der Ausschaffung straffälliger Ausländer hat sich seit Annahme der Ausschaffungsinitiative 2010 verschärft und wird bei Inkrafttreten des Gesetzesartikels zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative (Sommer 2016) noch strenger. Das Parlament erfüllt damit den Auftrag aus der Ausschaffungsinitiative, diese innert fünf Jahren umzusetzen. Entsprechend hat keine Partei das Referendum gegen die Umsetzungsgesetzgebung ergriffen. 2. Ziel und Wirkung der Durchsetzungsinitiative sind die Ausschaffung von Secondos wegen Bagatelldelikten und leichter Straftaten. Die jetzige Umsetzungsgesetzgebung zur Ausschaffungsinitiative hat für solche Fälle eine Härtefallklausel. Die Durchsetzungsinitiative will das verhindern und richtet sich damit hauptsächlich gegen hierzulande aufgewachsene Personen. Die Durchsetzungsinitiative und der Deliktskatalog gehen damit weit über das hinaus, was die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger mit Annahme der Ausschaffungsinitiative 2010 gewünscht hatten. 3. Die Initiative ist diskriminierend und willkürlich. Es gibt keine Gründe, Personen, die hier leben, geboren und aufgewachsen sind, selbst für Bagatelldelikte und einzig aufgrund ihrer Staatszugehörigkeit mit lebenslangen Massnahmen zu belegen. Das verletzt auch die Rechte vieler Schweizerinnen und Schweizer, die mit Personen ohne Bürgerrecht leben (Recht auf Familienleben, Art. 13 BV). 4. Der Initiativtext verletzt das Personenfreizügigkeitsabkommen. Gemäss diesem dürfen EU- Bürger weggewiesen werden, wenn sie schwere Delikte begangen haben und eine Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellen. Die Initiative, die keinen Raum zu Verhandlungen mit der EU zulässt, wäre ein verfassungsmässig verankerter Vertragsbruch. Das würde die Schweizer Position bei der Neuverhandlung der Personenfreizügigkeit und anderer Verträge schwächen. 5. Ziel der Initiative ist, die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu kippen, wonach internationale Verträge wie die EMRK und das Freizügigkeitsabkommen einzuhalten sind. Sie ist ein weiterer Instabilitätsfaktor für die Schweiz als Vertragspartner und Wirtschaftsstandort. 6. Es ist unklar, was für betroffene MitbürgerInnen bzw. StrafrichterInnen bei Annahme gilt: Bundesgesetz? Verfassung? Internationale Menschenrechtsgarantien (nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung bleiben diese trotz gegenteiliger Verfassungsnormen anwendbar, BGE 139 I 16)? Eine solch verworrene Konstellation wurde bislang dadurch vermieden, dass neuere Verfassungsnormen und Bundesgesetze im Gesamtkontext der Schweizer Rechtsordnung ausgelegt wurden (sog. Konkordanz). Genau dies will die unüblich detaillierte Verfassungsvorlage verhindern. Sie zielt auf den Bruch mit unserem bisherigen Rechtssystem. Dies hätte unabsehbare präjudizielle Wirkungen und leitete eine Zeit der Rechtsunsicherheit ein. 7. Die Umsetzung der Durchsetzungsinitiative würde für den Staat massive Kosten und Bürokratie bedeuten, soweit diese Initiative aufgrund der zu erwartenden Anzahl Fälle überhaupt vollziehbar wäre. Hinzu kommt, dass selbst Personen, die aufgrund des zwingenden Völkerrechts nicht ausgeschafft werden dürfen (etwa anerkannte Flüchtlinge), auch bei leichten Delikten jeglichen Aufenthaltsstatus für immer verlören (und damit unter ein Arbeitsverbot fielen, obwohl sie in der Schweiz bleiben dürften). Dies würde hohe Sozialkosten verursachen und die öffentliche Sicherheit eher gefährden als schützen. 8. Die „Durchsetzungsinitiative“ (DSI) wurde als Testfall für die EMRK konzipiert. Noch bevor die Volksinitiative „Schweizer Recht statt fremde Richter“ den Vorrang des Landesrecht gegenüber Völkerrecht – und damit die Wirkungslosigkeit der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK für die Schweiz –bewirken soll, schaltet die DSI den Schutzfaktor EMRK bereits aus. Auf den ersten Blick „nur“ für die rund zwanzig Prozent in der Schweiz lebenden Menschen ohne Schweizer Pass. Auf den zweiten Blick wird aber klar: auch alle Menschen mit Schweizer Pass sind betroffen. Denn die Konsequenz ist die Kündigung der EMRK. Der Text der Durchsetzungsinitiative bündelt – abgesehen von ihrem inhumanen Ziel – alle bekannten Probleme, die wir bisher mit grundrechts- und völkerrechtswidrigen Volksinitiativen hatten. Durch die Radikalität der formalen Ausgestaltung unterscheidet sie sich jedoch von allem, was wir bislang kennen, und birgt damit Sprengkraft für unsere bisherige Rechtsordnung und Rechtskultur (besonders auch das Prinzip der Gewaltenteilung). Sie ist weit über die ausländerrechtliche Frage von demokratiepolitischer Brisanz. Ich gebe es zu: Nur widerwillig habe ich die Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus zur Hand genommen. Aus Pflichtgefühl, weil ich um eine Stellungnahme gebeten wurde.
Vorgetragen am 1. August in Embrach und Winkel |
Archives
Juni 2023
|